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[TV-Serie] Only Murders in the Building

Verfasst: Sa 2. Okt 2021, 19:58
von Detlef P.
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USA, 2021-???
Idee: Steve Martin, John Hoffman
Darsteller: Steve Martin, Martin Short, Selena Gomez, Aaron Dominguez, Amy Ryan

"Charles, Oliver und Mabel sind drei Fremde, die eines verbindet: ihre Leidenschaft für True Crime-Geschichten und besondern den Podcast All Is Not Okay in Oklahoma Und eines Tages werden sie selbst Teil eines mörderischen Kriminalfalls. Sie alle leben in einem Wohnkomplex in der Upper West Side von New York, in dem ein grausamer Mord verübt wird. Fortan schließen sie sich zusammen und nutzen all ihr Krimi-Wissen, um den Mörder ausfindig zu machen.

Während sie ihre Untersuchungen in Form eines True Crime-Podcasts, den sie Only Murders in the Building taufen, dokumentieren, kommen sie den gefährlichen Geheimnissen ihres Wohnorts auf die Spur. Immer mehr Rätsel und Hinweise häufen sich und für Oliver, Mabel und Charles beginnt ein Wettlauf mit der Zeit. Denn der Killer könnte ihnen näher sein als gedacht." (www.moviepilot.de)

Wie Ihr wisst, habe ich mich schon häufiger nicht nur über die, meiner Ansicht nach, schwindende Qualität von Kinofilmen in den letzten Jahren, sondern auch über Serien beschwert.
In den letzten Jahren gab es quasi keine neue Serie mehr, die für mich wirklich herausgestochen hat. Die letzte kam tatsächlich aus dem Jahr 2018 - ist also schon drei Jahre her.
Zwar gab es mal ein paar wirklich passable oder gar gute Mini-Serien, aber eine "richtige" Serie mit mehr als einer Staffel, bei der man den Figuren gerne über Jahre hinweg folgt, hat mich nicht mehr erreichen können. Und das, obwohl wir ja mittlerweile mit diesen Sachen zugeballert werden, als gäbe es kein Morgen.
Aber auch hier hatte ich immer mehr das Gefühl, dass Quantität mittlerweile wichtiger sei als Qualität.
Bis ich diese Serie das erste Mal sah... .

Und jetzt kann ich auch hier endlich den erleichternden Ausspruch bringen: "Es gibt sie doch noch!"
Die Serie ist direkt ab der allerersten Folge einfach nur so wunderbar, dass man sofort von dieser Welt und vor allem von DIESEN CHARAKTEREN gefangen genommen wird.
Dass es ausgerechnet einen Steve Martin brauchen würde, der mir beweist, dass man auch heute noch wirklich gute Serien herzaubern kann, damit hätte ich nun wirklich nicht gerechnet, ergibt aber, wenn man mal darüber nachdenkt, absolut Sinn.

Nicht damit gerechnet habe ich erstens, weil Martin leider seit einigen Jahren nur noch recht mittelmäßiges bis unterdurchschnittliches Zeug wie diese Neufassungen von "Der rosarote Panther" auf die Beine gestellt hat (bei denen mir die Trailer schon immer gereicht haben) und er zweitens noch nie in einer Fernsehserie mitgespielt hat.
Er hat zwar schon mal eine sehr unbekannte Serie in den 80ern kreiert, aber selbst nicht mitgespielt. Hier ist er jedoch Co-Creator und Hauptdarsteller zugleich.

Und wenn ich genau darüber nachdenke, war er, wie gesagt, doch genau derjenige, bei dem es absolut Sinn ergibt, dass er so eine tolle Serie miterfinden würde.
Ich habe diesen Mann als Kind wirklich geliebt und habe seine Filme regelrecht aufgesogen.
Ich habe ihn sogar damals hier im Forum vorgestellt und habe mir in meinem letzten Satz gewünscht, dass er bald wieder zu alter Form zurückfindet.
Es hat zwar 15 Jahre gedauert, aber er hat es geschafft. Er ist zurück!

Und das Schöne bei dieser Serie ist, dass sie aus so vielen verschiedenen Gründen funktioniert.
Zum einen sind die Charaktere wirklich unglaublich gut ausgearbeitet. Direkt ab der ersten Episode sehen wir keine dummen Sitcom-Stereotypen, die von einer Szene zur nächsten hampeln und sich unter Konserven-Lachern eines nicht anwesenden Studiopublikums durch mittelmäßige bis schlechte One-Liner lächerlich machen, sondern man sieht Menschen.
Menschen mit Sorgen und Nöten, die ihre besten Zeiten hinter sich haben und nach einem neuen Antrieb in ihrem New Yorker Leben suchen.
Klingt erstmal gar nicht nach einer guten Comedy, sondern nach dem neuesten Indie-Drama von Greta Gerwig oder Noah Baumbach.
Aber so funktioniert gute Comedy, was viele bis heute nicht verstehen. Man lacht nicht über die Charaktere, sondern mit ihnen - zumindest die meiste Zeit.
Oder vielleicht lacht man über eine blöde Situation, in die sie geraten, aber nie werden die Figuren der Lächerlichkeit preisgegeben.
Und das war schon immer eine Stärke von Martin, zumindest in den meisten seiner Produktionen.
Es schwingt immer etwas zutiefst menschliches mit, mit dem man sich so leicht identifizieren kann und was einen eigentlich auch immer auf emotionaler Ebene gepackt hat.
Und genau so sind hier die Hauptfiguren konstruiert. Sie wachsen einem, trotz ihrer zum Teil sehr eigenen Art, immer mehr ans Herz und man freut sich jede Woche darauf eine weitere halbe Stunde mit ihnen verbringen und in ihre Welt eintauchen zu dürfen. Und gerade diese kurzen Momente, in denen sie auch mal wirklich ernsthafte Emotionen zeigen, sind das Glanzstück, durch dass diese Comedyserie von diesem ganzen restlichen Mist nahezu abhebt.

Der Humor kommt jedoch auch nicht zu kurz.
Zwar muss ich gestehen, dass es jetzt keine Serie ist, bei der man sich die ganze Zeit über vor Lachen wegschmeißt. Aber es gibt in jeder Folge ein bis zwei richtige Lacher (ein bis zwei mehr als die meisten anderen Comedies heutzutage haben) und die restliche Zeit muss man eigentlich immer über irgendwas schmunzeln.
Kurz gesagt: Es unterhält einfach gut und ist sehr kurzweilig und einfach schön.

So, und womit ich bei Martin und seinem Partner John Hoffman nicht gerechnet hätte, ist die wirklich toll konstruierte Kriminalgeschichte, um die sich die Serie dreht.
Ganz abgesehen davon also, dass die Figuren durch das Ziel, einen Mord in ihrem Wohngebäude aufklären zu wollen, zusammengeschweißt werden und diesen nutzen wollen, um wieder einen "Sinn" in ihrem Leben zu finden, wodurch auch der teilweise wunderbar bizarre Humor entsteht, wird hier ein wirklich spannender Krimi mit vielen Verdächtigen, falschen Fährten und richtigen Cliffhangern am Ende einer Folge erzählt.
Und das von... Steve Martin? WTF??? Wer hätte ausgerechnet IHM so etwas zugetraut?

Ich bin so glücklich endlich mal wieder einer (neuerschienen) Serie so richtig verfallen zu sein. Gleich ab der ersten Episode.
Kein "Naja, der Anfang war ganz o.k. Mal sehen, wie es sich entwickelt" oder "Och joa, kann man gucken", nein!
Hier war ich wirklich sofort zu 100% dabei.
Ein schönes Gefühl!

Das liegt aber neben der tollen Geschichte, dem Humor und den Charakteren auch an der sehr angenehm ruhigen Inszenierung, die nicht hektisch herumeiern muss, um zu übertünchen, dass die Serie eigentlich Schrott ist und man es, auf Grund des Tempos und der MTV-artigen Stakkato-Schnitte nicht so schnell merkt und vor allem auch an den Darstellern.
Steve Martin ist als steif-verschlossener, schnöseliger Typ natürlich perfekt. Das ist keine große Überraschung.

Martin Short macht seine Sache so unglaublich gut, besonders bei der Figur, die er spielt.
Hätte jemand anders die teilweise sehr überkanditelte Figur gespielt, hätte sie ganz schnell anfangen können zu nerven. Aber Short sorgt wirklich durch kleine Nuancen dafür, dass man immer die eigentlich tragische, beinahe gebrochene und eigentlich sehr verletzliche Figur unter seiner überhöhten Maskerade sieht.
Und das ist wirklich eine Auszeichnung!

Die größte Überraschung ist hier aber fast Selena Gomez.
Wenn man liest, dass sie neben zwei absoluten Comedy-Größen die dritte im Bunde spielen darf, könnte man irrtümlicherweise denken, dass sie nur deshalb gecastet wurde, damit auch ein paar junge Leute einschalten.
Eventuell war das auch einer der Gründe, aber der Hauptgrund wird gewesen sein, dass sie einfach zu 100% passt.
Selbstverständlich wird durch die Einführung ihrer deutlich jüngeren Figur auch eine Möglichkeit gefunden, die Unterschiede der Generationen humorvoll aufzubereiten (wobei beide Generationen hier und da einstecken dürfen).
Aber vor allem hat sie eine sehr zentrale und wichtige Rolle innerhalb der Geschichte. Fast sogar die wichtigste!
Und das leistet sie wirklich richtig klasse. Es mag keine Jahrhundertperformance sein, aber ich kann mir tatsächlich keine andere in dieser Rolle vorstellen - genau wie bei Martin und Short.
Und das tolle ist, dass sie im Grunde genommen die Vernünftige in der Runde ist, die die beiden "Alten" teilweise zurechtweist und ihnen den Kopf wäscht und auch ein paar herrlich sarkastische Sprüche bringen darf.
Sie ist definitiv nicht nur für die Quote, für ihr Aussehen oder ihre Jugend gecastet worden.
Und das Zusammenspiel der drei ist einfach klasse. Es funkt einfach richtig, richtig gut!

So, bevor ich jetzt aber noch mehr schwärme, probiert die Serie doch einfach mal selber aus.
Die erste Staffel läuft momentan auf Disney+ (in den USA auf Hulu) und wurde - was mich ganz besonders freut - bereits für eine zweite Staffel verlängert.
Es handelt sich hierbei auch tatsächlich um die bisher erfolgreichste Hulu-Serie überhaupt.
Tja, Qualität setzt sich eben manchmal doch gegenüber der Quantität durch...