Die Müßiggänger

I vitelloni

In diesem Forum wird über Filme jeder Art diskutiert. Bitte prüfe vor Erstellung eines neuen Film-Threads, ob der Film bereits in der Liste der Filme A-Z vorhanden ist.

Moderatoren: Damien3, Detlef P., Murillo

Antworten
Benutzeravatar
Detlef P.
Der Auserwählte
Der Auserwählte
Beiträge: 6835
Registriert: Mo 11. Okt 2004, 10:37
Wohnort: Berlin

Die Müßiggänger

Beitrag von Detlef P. »

Bild

I/F, 1953
Regie: Federico Fellini
Darsteller: Franco Interlenghi, Alberto Sordi, Franco Fabrizi, Leopoldo Trieste, Riccardo Fellini, Eleonora Ruffo, Jean Brochard, Claude Farell, Carlo Romano

"Alberto, Fausto, Leopoldo, Moraldo und Riccardo sind fünf Jungs aus einer kleinen Stadt. Sie wehren sich gegen die Konventionen des Lebens, und weigern sich, einem Beruf nachzugehen. Sie verbringen ihre Tage indem sie Billard spielen und sich langweilen. Bald wird Sandra, Faustos Freundin, schwanger, was ihn dazu zwingt, sein bisheriges Leben aufzugeben. Doch dieser Weg ist für ihn nur von kurzer Dauer." (www.moviepilot.de)

Lange Zeit hatte ich nicht richtig Lust, mir diesen Film anzusehen, was wohl auch sehr stark mit dem Filmtitel zusammenhing.
Ein Film der schon "Die Müßiggänger" heißt und in dem es dann auch genau um ganze fünf Stück dieser Sorte geht, wie soll da der Film überhaupt Spaß machen können.
Ich habe schon genug Filme des Neorealismus gesehen und weiß, dass diese sehr unterhalten, aber auch sehr langweilen können. Dieser klang nach Langeweile pur, wo fünf Typen die ganze Zeit nur in der Gegend herumhängen und gar nichts tun. Super! :roll:

Dann entschloss ich mich vor einigen Jahren, ihn doch mal anzusehen. Warum weiß ich gar nicht mehr. Lag es am wirklich hervorragenden IMDb-Rating? Oder daran, dass ich irgendwo was gelesen hatte, das mich umstimmte?
Genau weiß ich es nicht mehr. Nur, dass ich mich umentschied. Und ein Glück tat ich das!
Hier handelt es sich wirklich um einen der schönsten, ehrlichsten und sogar kurzweiligsten Filme des großen Fellini, der es aber leider mit manchen Filmen auch schon geschafft hatte, mich zu langweilen.
Aber dieser hier bewirkt genau das Gegenteil und man ist beinahe traurig, wenn er dann zu Ende ist.
Fellini ließ sich hier autobiographische Erlebnisse mit einfließen, weswegen der Film vermutlich auch so echt und ehrlich wirkt.
Viele kleine Details prägen diese Satire auf das Kleinstadtleben aus dem die Protagonisten durch ihr Verhalten auszubrechen versuchen, sie sich aber dazu, auf Grund ihrer Trägheit und ihres Müßiggängerdaseins, nicht in der Lage sehen.
Somit wird nicht nur die Kleinstadt an sich zu einem tragisch-komischen Potpurri aus Personen, Erlebnissen und Ereigissen vermengt, sondern es werden auch die Protagonisten mit einer Mischung aus melancholischer Tragik und satirischer Komik präsentiert, da diese sich nicht in der Lage sehen, ihre ureigene Unfähigkeit zu überwinden, um aus dieser Welt ausbrechen zu können.

Es ist ein Film über den passiven Widerstand, der sich in Momenten und Haltungen findet, letztendlich aber zu keiner Veränderung, zu keinem Ergebnis führt.
Eine Art verzweifelte Suche nach einem Platz im Leben, in dem es doch mehr geben muss, als das Bekannte, das Alltägliche.
Deswegen funktioniert dieser Film auch so gut. Weil dieses Gefühl wohl beinahe jeder schon einmal gefühlt hat, der im heranwachsenden Alter war.
Dass er aus diesem Kreislauf ausbrechen, sich später nicht diesem langweiligen Alltag hingeben und es ganz anders machen würde, als die Eltern und alle anderen, die vor ihm gekommen waren.
Nahezu jeder kann sich mit dieser Sehnsucht identifizieren und ebenso wird nahezu jeder dieses schmerzende Gefühl kennen, was sich breit macht, wenn man feststellt, dass man leider doch - trotz aller vergeblichen Versuche - immer noch in dieser Welt festhängt und es einfach nicht schafft, sich daraus zu lösen.

Dass Fellini all dies auch noch mit einer wunderschönen Prise Humor und mit edlen, poetischen Kamerabildern verzieren konnte, ist dann die endgültige Erklärung dafür, warum dieser Film so hoch angesehen ist und als eines seiner allerbesten Werke gilt.


"Willst Du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten." (chin. Sprichwort)

"Die Seele ist das Schiff, Vernunft das Steuer und Wahrheit der Hafen." (türk. Weisheit)

"Der größte Feind des Wissens ist nicht Unwissenheit, sondern die Illusion, wissend zu sein." (Daniel J. Boorstin)

Wenn "2010" die Fortsetzung zu "2001" sein soll, dann ist "Sieben" das Prequel zu "8½". (Ich)

Las-Vegas-Ambiente :fuckU: (Insider)
Antworten