Zurück zum Italowestern

Keoma

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Moderator: Damien3

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Voland
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Zurück zum Italowestern

Beitrag von Voland »

Seit langer Zeit sah ich wieder einmal einen "richtigen" Italo-Western. Klar, Bud Spencer und Terence Hill streunen zwischenzeitlich auch durch die Prärie. Doch sofern es nicht ihre Frühwerke sind spreche ich nicht von richtigem Italo-Western.
Es gibt auch einen Mann, der für mich unweigerlich mit dieser Gattung Film verbunden ist: Franco Nero. Der Mann mit den durchdringenden Augen und dem tödlichen Auftreten.

So also hatte ich mal wieder die Gelegenheit einen derartigen Film zu sehen. Und siehe da, ich wurde keineswegs enttäuscht. Ganz im Gegenteil sogar! Beim Zuschneiden habe ich ein wenig vom Film mitbekommen und da ist mir die Musik gleich mal negativ aufgefallen. Solche Musik in einem Western? Das klang sehr ungewohnt und war mir gleich zuwider. Doch ich sollte mich täuschen.

Der Film beginnt wie gewöhnlich, wenn man sowas sagen kann. Auf jeden Fall sehr eindrucksvoll und "dreckig". Dazu diese Musik. Oder besser gesagt: diese Songs. Was sollte das? Aber mittlerweile klang es gar nicht so abwegig und unpassend. Nein, ganz im Gegenteil. Es passte sogar sehr gut. Vor allem sollte man sich nicht berieseln lassen, sondern man sollte zuhören. Denn die Sängerin ist die Erzählerin in diesem Film. Ob es besser gewesen wäre, den Gesang ebenfalls zu synchronisieren weiß ich nicht. Mir gefiel es im Original recht gut.

Es dauerte dann ja auch nicht lange und man konnte Keoma bewundern. Tja, so würde ich auch gerne mal auftreten. Gegen diesen Mann mit rotem Stirnband sieht der andere Mann mit rotem Stirnband ja aus wie ein schwaches Würstchen. Für mich wäre der Mann wohl der Inbegriff von Männlichkeit - somit nimmt er unweigerlich auch den Platz eines Idols ein. Komischerweise haben Männer immer andere Ansichten von Männlichkeit als Frauen...

Ich war auch sehr überrascht von der Qualität des Films. Die Kameraarbeit bzw. die gesamte visuelle Aufbereitung des Films hat mich ein wenig sprachlos gemacht. So dreckig der Film auch oberflächlich wirkte - er war letztendlich doch ein richtiger Hochglanzfilm. Die Farbgebung und die Darstellung der einzelnen Szenen hat mir sehr gefallen.

Und als zum ersten Mal dann das Blut auch noch so richtig spritzte war ich ebenfalls überrascht. Sowas sieht man ja im Fernsehen nicht sehr oft. Da wird sogar bei Popo Sieben mehr weggeschnitten. Aber bei ARTE läuft das ja unter dem Schutzmantel der Kunst. Das gefällt mir. Ich bin die ständigen Beschneidungen nämlich schon leid. Da würde doch auch ein "Kinder, weg vom TV, jetzt kommt ein Männerfilm" reichen - so wie es ARTE in etwa gemacht hat.
Ich bin zwar kein Fan von blutigen Filmen, doch sollte es schon ein wenig realistischer zugehen bzw. nicht offensichtlich zensiert sein. Vor allem nicht so, wie ich kürzlich bei einer dieser Talkshow-Zusammenschnitten sah. Denn die Amis scheinen sogar die Mäuler zu verwischen, wenn jemand was Böses sagt. Aber genug, ich versau mir mit dem Käse meinen Keoma-Artikel.

Die Story ist ja letztendlich recht banal und schnell umrissen. Aber was tut das schon? In der Kürze liegt doch genauso die Würze. Bei "Keoma" ist vor allem die sichtbare Darbietung der wertvolle Part. Gefiel mir äußerst gut und hat mir sogar wieder Lust auf Django gemacht. Dass ich dann aber doch "Convoy" geschaut habe ist eine andere Geschichte...


Ich bin für geistige Zensur. Filme werden moralisch und politisch begutachtet, aber die Dummheit darf passieren.
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Detlef P.
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Beitrag von Detlef P. »

Mit den Beschneidungen hast du vollkommen recht, Voland!
Arte hat letztens "Leichen pflastern seinen Weg" ungeschnitten um 20:40 Uhr abends gebracht. Das nene ich mal ´ne geile Nummer.

Franco Nero sah ich nur einmal in "Django". Ich mochte jedoch ihn und auch den Film nicht.
Um ehrlich zu sein war es sogar einer der schlechtesten Western die ich je gesehen habe.
Aber das gehört jetzt nicht hierher...


"Willst Du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten." (chin. Sprichwort)

"Die Seele ist das Schiff, Vernunft das Steuer und Wahrheit der Hafen." (türk. Weisheit)

"Der größte Feind des Wissens ist nicht Unwissenheit, sondern die Illusion, wissend zu sein." (Daniel J. Boorstin)

Wenn "2010" die Fortsetzung zu "2001" sein soll, dann ist "Sieben" das Prequel zu "8½". (Ich)

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Detlef P.
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Re: Zurück zum Italowestern

Beitrag von Detlef P. »

So, jetzt muss ich hier erstmal ein paar Sachen klarstellen.
ich habe "Django" mittlerweile noch einmal gesehen.
Und auch, wenn es nicht unbedingt einer meiner Lieblings-Western ist, ist es doch ganz bestimmt nicht einer der schlechtesten.
Hatte "Django" damals beim ersten Mal auch in einem recht müden Zustand geguckt und bin zwischendrin wohl immer wieder mal fast weggepennt.
Wie gesagt, zwar nicht der beste Western, aber auf keinen Fall so furchtbar, wie hier vor einigen Jahren noch formuliert.

Aber nun zu "Keoma".
Den habe ich vor ein paar Jahren auch gesehen und zwar witzigerweise kurz nachdem ich - ebenfalls mit Franco Nero und ebenfalls von Regisseur Enzo G. Castellari - die Westernkomödie "Zwiebel-Jack räumt auf" gesehen hatte.
Ich weiß zwar nicht, warum der Film nicht "Zwiebel-Jack räumt den Dreck weg" genannt wurde, aber das ist vielleicht auch nur meine Meinung :mrgreen:

Während "Zwiebel-Jack..." der absolute Schwachmatenfilm ist und weder als Western, noch als Komödie funktioniert, sondern lediglich als Panoptikum komplett vergeigter, und dadurch wieder unfreiwillig komischer, Ideen, ist "Keoma", der nur ein Jahr später vom selben Regisseur, mit demselben Hauptdarsteller gedreht wurde, ein richtiger Western mit toller Optik und sämtlichen Zutaten des Italowesterns, die Voland auch oben schon alle genannt hat.
Dabei ist der Film zugleich auch noch Abgesang auf den Western und die Westernlegenden.
Zumindest fühlt es sich so an und es wäre auch nicht verwunderlich, wenn man sich mal das Jahr ansieht, in dem der Film entstanden ist. Im Jahr 1976 war das Ende des Westernbooms schon beinahe erreicht, sodass es nicht verwundern würde, wenn Enzo G. Castellari hier seinen ganz persönlichen Abgesang hätte drehen wollen.

Ein absoluter Super-Western war es für mich zwar nicht, aber ein durchaus guter Film, der nochmal alle Versatzstücke des Westerns gekonnt zusammenbringt.


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