David Lean

Die größten Meister, die größten Nieten, ihre Filme, ihre Leben.

Moderator: Detlef P.

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Detlef P.
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David Lean

Beitrag von Detlef P. »

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"David Lean ist eine der höchstdekorierten Figuren der Filmgeschichte. Einen Namen machte er sich vor allem als handwerklich souveräner Regisseur überlanger Ausstattungsfilme. Kaum jemand war wie Lean in der Lage, einen Spannungsbogen über drei Stunden gespannt zu halten. Nicht ohne Berechtigung ist daneben allerdings der gelegentlich geäußerte Vorwurf, Leans Werke hätten vor allem Oberflächenglanz zu bieten, aber wenig dahinter.
Seine lange Filmkarriere begann David Lean 1927 als Klappenjunge. Mit der Zeit diente er sich zum vielbeschäftigten Cutter hoch. Er schnitt Filme wie "Verlass mich niemals wieder" (1934) oder "Pygmalion" (1938). Sein Regiedebüt gab er mit der George-Bernard-Shaw-Verfilmung "Major Barbara" (1941), den er zusammen mit Harold French und Gabriel Pascal inszenierte. Es folgte der Kriegsfilm "In Which We Serve" (1942, Co-Regie: Noel Coward).

Lean gründete zusammen mit seinen Kollegen Coward und Ronald Neame eine eigene Produktionsgesellschaft, für die er "Wunderbare Zeiten" (1944, seine erste überaus beeindruckende Solo-Regie), "Geisterkomödie" (1945) und das ausgezeichnet photographierte Kammerspiel "Begegnung" (1945) drehte. Es folgten zwei sehr erfolgreiche Charles-Dickens-Verfilmungen, "Geheimnisvolle Erbschaft" (1946, "Great Expectations") und "Oliver Twist" (1948).

Die nächsten drei Filme Leans waren Vehikel für seine damalige Frau, die Schauspielerin Ann Todd. Für sie inszenierte er "Madeleine" (1948), "Die große Leidenschaft" (1949) und "Der unbekannte Feind" (1952). Mit dem letzten der drei Filme, einem aufwendigen Fliegerdrama, kündigte sich bereits Leans Vorliebe für Großproduktionen an, denen er später sein gesamtes Schaffen widmen sollte.

Doch bis dahin drehte Lean noch zwei "kleine" Filme: die Komödie "Herr im Haus bin ich" (1954, mit Charles Laughton) und "Traum meines Lebens" (1955), der vor allem von Katharine Hepburn in der Hauptrolle getragen wird.

Ein Welterfolg wurde "Die Brücke am Kwai" (1957) mit Alec Guinness (den Lean auch in den folgenden Filmen regelmäßig besetzte), William Holden und Jack Hawkins. Der Film erzählt eine Geschichte aus dem Zweiten Weltkrieg: Ein britischer Offizier ist mit seiner Einheit in japanischer Kriegsgefangenschaft. Er und seine Leute sollen eine wichtige Brücke bauen. Am Ende ist die Schinderei sinnlos, denn die Allierten sprengen das Ding gleich wieder in die Luft. Seinerzeit war der Film nicht unumstritten: Für die einen war dies eine Bloßlegung der Absurdität des Krieges, für andere ein Loblied auf die militärische Pflichterfüllung. Wie auch immer: "Die Brücke am Kwai" machte Lean endgültig zum Starregisseur.

Es folgte die große Wüsten-Saga "Lawrence von Arabien" (1962) mit Peter O'Toole, Alec Guinness, Jack Hawkins, Anthony Quinn und José Ferrer. Der Film kam Anfang der 90er Jahre noch einmal in einer Vierstundenfassung in ausgewählte Kinos und bewies, dass er von seiner optischen Grandiosität nichts eingebüßt hatte.

Großes Gefühlskino, wieder vor historischem Hintergrund, diesmal dem der Russischen Revolution, war "Doktor Schiwago" (1965) mit Omar Sharif, Geraldine Chaplin, Julie Christie, Rod Steiger und Alec Guinness. Wieder war es vor allem die Oberfläche, die den Film nach Boris Pasternaks Bucherfolg zum Kinoereignis machte. Auch die ungewöhnlich schnulzige Musik von Maurice Jarre wurde zum Riesenhit.

Dagegen ließ David Leans Form in seinen letzten beiden Filmen merklich nach. Mit "Ryans Tochter" (1970) schuf er ein im Grunde einfaches, ja banales Liebesmelodram, diesmal vor dem Hintergrund der irischen Revolution von 1916. Das Ganze blies Lean zum Mammutfilm auf und nahm der Geschichte damit die nötige Intimität, überzeugte aber noch durch die unglaubliche Bildgewalt. Die Hauptrollen spielten Sarah Miles, Robert Mitchum und Trevor Howard. Bei Robert Mitchum wartet man vergeblich darauf, dass der gehörnte Ehemann explodiert.

"Reise nach Indien" (1984) war die erneut einzig auf Schauwerte ausgerichtete Verfilmung eines Romans von E. M. Forster. Eine junge Engländerin reist in den 20er Jahren nach Indien, wo sie sich in einen einheimischen Arzt verliebt. Das beschwört einen Skandal herauf. Die Routine Leans kam auch diesem Film zugute, doch die zeitkritischen Töne der Vorlage werden weitgehend unter den Teppich gekehrt. Als Darsteller mit dabei: Peggy Ashcroft, Judy Davis, James Fox und Alec Guinness.

David Lean blieb bis ins hohe Alter aktiv. Er bereitete gerade das Projekt "Nostromo" vor, als ihn der Tod ereilte. Im Verlauf seines Lebens erhielt Lean zahllose Preise, darunter Oscars für "Die Brücke am Kwai" und "Lawrence von Arabien", den Großen Preis von Cannes für "Begegnung", den Publikumspreis der Berlinale 1954 für "Herr im Haus bin ich", dazu haufenweise British Academy Awards. Den New York Film Critics Circle Award hatte er gewissermaßen abonniert, mit ihm wurde er über ein Dutzendmal ausgezeichnet. Hinzu kommen Oscarnominierungen (zum Teil doppelt für Regie und Buch) für "Begegnung", "Geheimnisvolle Erbschaft", "Traum meines Lebens", "Doktor Schiwago", "Ryans Tochter" und "Reise nach Indien"." (www.prisma-online.de)


Filmographie:

Wunderbare Zeiten (1944)
Geisterkomödie (1945)
Begegnung (1945)
Geheimnisvolle Erbschaft (1946)
Oliver Twist (1948)
Die große Leidenschaft (1949)
Madeleine (1950)
Der unbekannte Feind (1952)
Der Herr im Haus bin ich (1954)
Der Traum meines Lebens (1955)
Die Brücke am Kwai (1957)
Lawrence von Arabien (1962)
Doktor Schiwago (1965)
Ryans Tochter (1970)
Reise nach Indien (1984)

Leider kenne ich erst drei Filme des "Epenkönigs" David Lean. Aber als ich gestern zufällig entdeckte, dass er Dickens Roman "Große Erwartungen" (als "Geheimnisvolle Erbschaft") verfilmt hat musste ich ihn heute sofort hier reinstellen.
Ich kenne bisher leider erst seine bekanntesten Filme "Die Brücke am Kwai", "Lawrence von Arabien" und "Doktor Schiwago". Letzterer hätte nicht sein müssen, fand ihn damals sehr in die Länge gezogen. "Die Brücke am Kwai" zieht sich manchmal auch ein wenig, ist insgesamt aber recht gelungen. Und "Lawrence von Arabien" möchte ich fast schon als Meisterwerk bezeichnen. Hab den Film bereits zweimal gesehen und er ist unheimlich gut gemacht und erstaunlich kurzweilig für einen Dreistünder (in der kompletten Fassung sogar über drei Stunden).
Viele seiner anderen Filme interessieren mich brennend: "Geisterkomödie", "Begegnung", "Der Herr im Haus bin ich" und natürlich "Geheimnisvolle Erbschaft".
Herrlich, eine neue Spielwiese zum austoben entdeckt zu haben :lach:


"Willst Du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten." (chin. Sprichwort)

"Die Seele ist das Schiff, Vernunft das Steuer und Wahrheit der Hafen." (türk. Weisheit)

"Der größte Feind des Wissens ist nicht Unwissenheit, sondern die Illusion, wissend zu sein." (Daniel J. Boorstin)

Wenn "2010" die Fortsetzung zu "2001" sein soll, dann ist "Sieben" das Prequel zu "8½". (Ich)

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Damien3
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Beitrag von Damien3 »

ich habe das erste mal so richtig was von ihm gehört als er für "Die Reise nach Indien" soviele Preise bekommen hat.
Ryans Töchter habe ich geschaut weil ich an Originalschauplätzen Urlaub gemacht habe.
Alle Dreistünder habe ich zwar gesehen , aber irgendwie haben die mich nie überzeugt. Erstrecht nicht die unsägliche 4 Stunde Version von Lawrence. Ich kann diesen Hype nicht unbedingt verstehen....


"Ich habe sie den ganzen Abend von dahinten beobachtet...sie sind ein sehr attrativer Mann"
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Detlef P.
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Beitrag von Detlef P. »

Hast du mal einen seiner älteren Filme gesehen? Die waren nämlich noch in "Normallänge". Epische Längen haben eigentlich nur seine letzten fünf Filme. Hat mich total gwundert als ich das gestern entdeckt habe, da er doch immer als der "Epenkönig" galt.


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Voland
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Beitrag von Voland »

Tja, Kubrick hat ja beispielsweise auch erst gegen Ende seiner Karriere längere Filme gezeugt. Das liegt einerseits daran, dass man älter wird und sicher andere Vorstellungen von einer Umsetzung seiner Gedanken hat - andererseits aber sicher auch damit, inwiefern man sich eine solche Länge bei den Produzenten erlauben darf.

Lean selbst gilt ja, wie gesagt, als Meister dieser bildhaften Epen. Doch ich glaube bzw. vermute mehr in diesem Mann. Nur, weil man beinahe ausschließlich die großen Werke kennt, heißt das nicht, dass die anderen schlecht sind. Womöglich sind sie sogar viel besser. Herausfinden konnte ich das aber bisher immer noch nicht. Dafür läuft der gute Mann einfach zu selten im TV.


Ich bin für geistige Zensur. Filme werden moralisch und politisch begutachtet, aber die Dummheit darf passieren.
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Beitrag von Detlef P. »

Genau der Überzeugung bin ich auch. Ich hatte ja auch einige seiner alten Werke angegeben, die ich unbedingt mal sehen will.


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