Claude Chabrol

Die größten Meister, die größten Nieten, ihre Filme, ihre Leben.

Moderator: Detlef P.

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Detlef P.
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Claude Chabrol

Beitrag von Detlef P. »

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"Selten hat ein Filmemacher, der über einen eigenen Stil und eine eigene Sprache verfügt, so viele Wandlungen und Veränderungen durchgemacht wie der Franzose Claude Chabrol. Trotzdem blieb er immer ein Geschichtenerzähler, ein Mann des Action-Kinos, einer, an dessen Filmen man immer spürte, dass sie ihm Spaß machen, dass er nicht eine lästige Pflicht absolviert.
Als Sohn eines Pariser Apothekers wuchs Chabrol bei den Großeltern in Sardent auf. Noch als Student der Literaturwissenschaften, Jura und Pharmazie besuchte er die Cineastenzirkel im Café de la Comédie und wurde bald Kritiker der "Cahiers du Cinema", oft schrieb er unter dem Pseudonym "Charles Eitel" und "Jean-Yves Goute". Gemeinsam mit Eric Rohmer veröffentlichte er eine Monographie über Alfred Hitchcock.

Chabrol beschäftigte sich aber auch jahrelang mit der Rose. Er betrachtete sie von allen Seiten, untersuchte sie und schilderte, die Rose entspräche die französische Bourgeoisie und an ihr fände er keinen neuen Reiz mehr. Danach wandete er sich einer neuen Blume zu, diesmal einer giftigen Blume. Wie in seinen Filmebn also: auf Sozialgeschichten und Sozialsatiren folgten Probleme der Abwegigkeit in den Beziehungen zwischen Menschen.

Als im August 1958 beim Festival in Locarno das Spielfilmdebüt des Filmkritikers Chabrol "Die Enttäuschten" vorgestellt wird, ist der zweite Film "Schrei, wenn du kannst" schon abgedreht. Es wird der erste große Kinoerfolg der "nouvelle vague". Von da ab geht es eine Weile bergab mit der Qualität seiner Filme bis Chabrol mit "Landru - Der Frauenmörder von Paris" ein Terrain betritt, mit dem er sich später noch ausführlich auseinandersetzen wird: Horror und Schrecken hinter der Fassade bürgerlicher Wohlanständigkeit. Es ist die Geschichte vom kleinen Biedermann und Familienvater, der ein paar einsame arme Frauen vom Leben "befreit".

In "Die untreue Frau" (1968) dagegen präsentiert Chabrol eine Wunschfamilie wie aus der Fernsehwerbung, in die das Unheil einbricht, im "Der Schlachter" (1969) einen Mörder, der zugleich Opfer ist. Mit Filmen wie "Alice" (1976) nach Lewis Carroll und der Story über die Vatermörderin "Violette Nozière" (1977), mit der man Mitleid hat, entfernt sich Chabrol von der klar formulierten Sozialkritik am Bürgertum. Eine Flucht? "Flucht will ich das nicht nennen, obwohl die Wirklichkeit in Frankreich heute schon sehr bedrückend ist", sagte Chabrol 1978.

Immer wieder stehen bemitleidenswerte Schuldige im Mittelpunkt seiner Filme: der Mörder und sein Schatten in "Die Fantome des Hutmachers" (1982), der traurige Entertainer in "Masken" (1986). Der versteckt hinter der Maske des Biedermanns die Untiefen des Bösen. Schließlich die lebenslustige Frau, die in "Eine Frauensache" (1988) mit zwei Kindern recht und schlecht in einem Rattenloch haust und durch Zufall zur Engelmacherin wird. Böses und Gutes, Verdauliches und Unverdauliches verschwindet im Riesenrachen der Familie, der alles verschlingt. Aber die "Biester" (1995), Isabelle Huppert und Sandrine Bonnaire, räumen damit auf und verbreiten abgründig boshaftes Lachen.

Ein französischer Kritiker hat einmal gesagt, Hitchcock schaffe ein Maximum an Spannung mit einem Minimum an Humor, Chabrol indes produziere ein Minimum an Spannung und umgebe es mit einem Maximum an Spaß.

Weitere Filme von Claude Chabrol: "Schritte ohne Spur" (1959), "Speisekarte der Liebe", "Die Unbefriedigten" (beide 1960), "Ophélia", "Das Auge des Bösen", "Die sieben Todsünden" (alle 1961), "Landru, der Frauenmörder von Paris" (1962), "Die Frauen sind an allem schuld", "Der Tiger liebt nur frisches Fleisch" (beide 1964), "Paris vu par...", "M.C. contra Dr. Kha" (beide 1965), "Die Demarkationslinie", "Der Tiger parfümiert sich mit Dynamit", "Der Champagner-Mörder" (alle 1966), "Die Straße von Korinth", "Zwei Freundinnen" (beide 1967), "Das Biest muss sterben" (1969), "Der Riss" (1970), "Der zehnte Tag", "Vor Einbruch der Nacht" (beide 1971), "Blutige Hochzeit", "Der Halunke" (beide 1972), "Nada" (1973), "Histoires insolites" (TV-Serie, mehrere Folgen), "Die Unschuldigen mit den schmutzigen Händen", "Eine Lustpartie" (alle 1974), "Die Schuldigen mit den sauberen Händen", "Nouvelles de Henry James" (TV-Mehrteiler, zwei Folgen), "Die verrückten Reichen" (alle 1975), "Madame le juge" (TV-Serie), "Blutsverwandte" (beide 1977), "Il était un musicien" (1978, TV-Serie, drei Episoden), "Fantômas" (TV-Mehrteiler, zwei Folgen), "Das Traumpferd" (beide 1980), "Le Système du docteur Goudron et du professeur Plume" (TV) "Die Wahlverwandtschaften" (beide 1981), "M. le maudit", "La danse de mort" (beide 1982), "Das Blut der anderen", "Hühnchen in Essig" (beide 1984), "Inspektor Lavardin oder Die Gerechtigkeit" (1986), "Der Schrei der Eule" (1987), "Inspektor Lavardin: Tödliches Rätsel", "Inspektor Lavardin: Das Geheimnis der schwarzen Schnecke" (beide 1988), "Stille Tage in Clichy" (1989), "Dr. M" (1990), "Betty", "Madame Bovary" (beide 1991), "Das Auge von Vichy" (Dokumentation, 1993), "Die Hölle" (1994), "Cyprien Katsaris" (1996), "Das Leben ist ein Spiel" (1997), "Die Farbe der Lüge" (1998), "Süßes Gift" (2000), "Les Redoutables" (2001, TV-Serie, eine Episode), "Die Blume des Bösen" (2003), "Die Brautjungfer" (2004) und "Geheime Staatsaffären" (2006).

Neben seiner Tätigkeit als Regisseur, Autor und Produzent hatte Chabrol diverse Gastauftritte in seinen Filmen. Manchmal übernahm er auch Darstellerrollen bzw. Cameo-Auftritte bei Kollegen: "Le Coup du berger" (1956), "Les jeux de l'amour", "Paris gehört uns", "Speisekarte der Liebe" (alle 1960), "Amour in St. Tropez", "Les ennemis" (beide 1961), "Les durs à cuire" (1964), "Kalte Augen" (1968), "Et crac" (1969), "Aussi loin que l'amour" (1971), "Mord bleibt Mord", "The Other Side of the Wind" (beide 1972), "Le permis de conduire" (1973), "Ein irrer Typ" (1977), "Les voleurs de la nuit", "Polar - Ein Detektiv sieht schwarz", "Homicide by Night" (alle 1984), "Ein Tag in Paris", "Ich hasse Schauspieler!" (beide 1986), "Schmutziges Schicksal", "Jeux d'artifices","L'Été en pente douce" (alle 1987), "Sueurs froides" (TV-Serie, Gastgeber), "Alle Vöglein sind schon da" (beide 1988), "Sam suffit" (1992), "Le fils de Gascogne" (1995), "Tu devrais faire du cinéma" (2002) und "La deuxième vérité" (2003)." (www.prisma-online.de)


Filmographie:

1958 - Die Enttäuschten (Le Beau Serge)
1959 - Schrei, wenn Du kannst (Les Cousins)
1959 - Schritte ohne Spur (A double tour)
1960 - Die Unbefriedigten (Les bonnes femmes)
1961 - Speisekarte der Liebe (Les Godelureaux)
1962 - Das Auge des Bösen (L’oeil du malin)
1962 - Die sieben Todsünden (Les sept péchés capitaux) (Segment: "L avarice")
1963 - Der Frauenmörder von Paris (Landru)
1963 - Ophélia
1964 - Die Frauen sind an allem schuld (Les plus belles escroqueries du monde) (Segment: "L'Homme qui vendit la Tour Eiffel")
1964 - Der Tiger liebt nur frisches Fleisch (Le tigre aime la chair fraîche)
1965 - Paris gesehen von... (Paris vu par...) (Segment: La muette)
1965 - M.C. contra Dr. KHA (Marie-Chantal contre le docteur Kha)
1965 - Der Tiger parfümiert sich mit Dynamit (Le tigre se parfume à la dynamite)
1966 - La ligne de démarcation
1967 - Der Champagner-Mörder (Le scandale)
1967 - Die Straße von Korinth (La route de Corinthe)
1968 - Zwei Freundinnen (Les biches)
1969 - Die untreue Frau (La femme infidèle)
1969 - Das Biest muß sterben (Que la bête meure)
1970 - Der Schlachter (Le Boucher)
1970 - Der Riß (La rupture)
1971 - Vor Einbruch der Nacht (Juste avant la nuit)
1971 - Der zehnte Tag (Le décade prodigieuse)
1972 - Der Halunke (Docteur Popaul)
1973 - Blutige Hochzeit (Les noces rouges)
1974 - Claude Chabrol: Nada (Nada)
1975 - Ein lustiges Leben (Une partie de plaisir)
1975 - Die Unschuldigen mit den schmutzigen Händen (Les innocents aux mains sales)
1976 - Die Schuldigen mit den sauberen Händen (Les magiciens)
1976 - Die verrückten Reichen (Folies bourgeoises)
1977 - Alice (Alice ou la dernière fugue)
1978 - Blutsverwandte (Les liens de sang)
1978 - Violette Nozière
1980 - Das Traumpferd (Le cheval d’orgueil)
1982 - Die Fantome des Hutmachers (Les fantômes du chapelier)
1984 - Das Blut der anderen (Le Sang des autres)
1985 - Hühnchen in Essig (Poulet au vinaigre)
1986 - Inspektor Lavardin oder Die Gerechtigkeit (Inspecteur Lavardin)
1987 - Masken (Masques)
1987 - Schrei der Eule (Le cri du hibou)
1988 - Eine Frauensache (Une affaire des femmes)
1990 - Stille Tage in Clichy (Jours tranquilles à Clichy)
1990 - Dr. M
1991 - Madame Bovary
1992 - Betty
1993 - Das Auge von Vichy (L’oeil de Vichy)
1994 - Die Hölle (L' Enfer)
1995 - Biester (La cérémonie)
1997 - Das Leben ist ein Spiel (Rien ne va plus)
1999 - Die Farbe der Lüge (Au coeur du mensonge)
2000 - Süßes Gift (Merci pour le chocolat)
2003 - Die Blume des Bösen (La fleur du mal)
2004 - Die Brautjungfer (La demoiselle d'honneur)
2006 - Geheime Staatsaffären (L'ivresse du pouvoir)
2007 - Die zweigeteilte Frau (La Fille coupée en deux)
2009 - Kommissar Bellamy (Bellamy)

Nachdem ich jetzt meinen sechsten Chabrol gesehen hatte musste ich ihn hier einfach vorstellen.
Leider habe ich erst sehr spät damit angefangen seine Filme zu sehen. Sehr schade, bei dem was ich bisher von ihm sehen durfte.
Ganz besonders großartig fand ich "Blutsverwandte" (mit Donald Sutherland!), "Der Schrei der Eule" und "Die Hölle". Ebenfalls ganz interessant war "Die Unschuldigen mit den schmutzigen Händen" wobei dieser zwischendrin ein paar kleine Längen hatte.
Von seinen neueren kenne ich nur "Süßes Gift" (mit Isabelle Huppert) und "Die Blume des Bösen" die ich beide nicht schlecht, aber nicht so herausragend wie seine restlichen Arbeiten fand.
Ich muss auf jeden Fall noch mehr von ihm sehen, vor allem von seinen älteren Filmen.


tim wehdeking
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Registriert: Mi 19. Dez 2007, 14:09

Bitte dringende Hilfe!

Beitrag von tim wehdeking »

Hallo!
Ich versuche schon ewig für meinen Vater den Episodenfilm "Die sieben Todsünden" von Chabrol auf DVD oder VIdeo zu bekommen!! Kann mir von euch vielleicht jemand weiterhelfen? Um eine Info, egal welche, würde ich mich sehr freuen!! Gruß Tim


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Detlef P.
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Beitrag von Detlef P. »

Tut mir Leid, aber da kann ich dir auch nicht weiterhelfen.
Ich habe gerade bei "ofdb" nachgesehen und da sind leider keine bekannten deutschen Fassungen auf DVD oder Video eingetragen.
Den Film bekommt man also höchstens über einen Import aus Frankreich und kann ihn sich dann eventuell auf deutsch ansehen.


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