Nikkita´s Stay

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Moderator: Damien3

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Nikkita
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Nikkita´s Stay

Beitrag von Nikkita »

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Ich muss zugeben, dass ich den Film beim ersten Mal ziemlich unterschätzt habe.
Beim ersten Mal habe ich ihn nach ungefähr 10 Min ausgeschaltet und mir gedacht, was für ein Schrott. Auslöser dieser Reaktion war primär folgender Dialog:
- „Werden sie sich an mich erinnern?“
- „Wer?“
- „Die Welt!“
- „ Ja werden sie! Und jetzt zieh Dich aus!“
Und ich dachte mir was soll das? Ihr müsst zugeben, dass dieser Dialog etwas platt klingt. Aber dieses Beispiel sollte mich lehren, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Einige Wochen später gab ich dem Film noch eine Chance. Und siehe da im gesamten Kontext gesehen, war dieser Dialog gar nicht mehr so platt, wie er anfänglich schien. Aber der Reihe nach, erstmal paar Worte zum Inhalt:

Der New Yorker Psychiater Sam Foster (Ewan McGregor) übernimmt als Vertretung für seine depressive Kollegin Beth (Janeane Garofalo) die Therapie des Kunststudenten Henry Letham (Ryan Gosling). Seit einem Verkehrsunfall, in dessen Verlauf Henrys Wagen mitten auf der Brooklyn Bridge vollkommen ausbrannte, leidet der junge Mann unter Gedächtnisverlust und hat beschlossen, sich in drei Tagen umzubringen.

Doch die Behandlung von Henry entpuppt sich bald als keine leichte, ja sogar zu eine gefährliche Aufgabe. Merkwürdige Erscheinungen und Begegnungen prägen von nun an das Leben von Sam Foster, das bislang so wohlgeordnet schien. Da ist zum Beispiel Sams Mentor, der blinde Dr. Leon Patterson (Bob Hoskins), in dem Henry seinen (verstorbenen) Vater zu erkennen glaubt. Auch seine Freundin Lila (Naomi Watts), eine labile Künstlerin, verhält sich merkwürdig und spricht ihn mit Henry an. Und als der Psychiater auf Anraten seiner Kollegin die Mutter des Patienten besucht, wird er von deren Hund angefallen und erfährt zudem im Nachhinein, dass er es offensichtlich mit einer Betrügerin zu tun hatte, denn Maureen Letham, ist laut Polizei seit Monaten tot. Hinzu kommen Déjà-Vus und unerklärliche Phänomene wie beispielsweise ein merkwürdiger Anruf Sams auf Henrys Anrufbeantworter, an den sich der Psychiater aber nicht erinnern kann. Dann schließlich ist der Samstag da, der Tag, an dem Henry Selbstmord begehen will und Sam muss handeln, um das Leben seines Patienten zu retten.

Marc Forster hat mit Stay einen Film kreiert, der eine ungewöhnliche teilweise subtile teilweise plakative Symbolik aufweist. Stellenweise wirkt der Film wie ein psychedelischer Traum, besonders aber ab der zweiten Hälfte des Films wird der Zuschauer in einen Strudel von fantastischen Bildern gezogen. Mit ungewöhnlichen Kameraeinstellungen, Schnitten uns Sujets zaubert M. Forster hypnotische Bildkompositionen, die eine düstere und bedrohliche Faszination auf den Zuschauer ausüben. Traumlandschaften, die unser Raum-Zeit-Empfinden völlig auf den Kopf drehen. Ist es die Vergangenheit, die Zukunft, vielleicht beides oder doch eine parallel Welt, möglicherweise aber auch das Unterbewusste, in dem sich die Story abspielt.

Dabei sind diese ästhetischen, symbolträchtigen und komplexen Bildkompositionen keinesfalls nur eine oberflächliche Verblendung des Zuschauers um über eine mangelnde Story hinwegzutäuschen, wie von einigen behauptet wird. Man muss sich die Zeit nehmen den Film sich wenigstens zweimal anschauen um die Details und Zusammenhänge zu erfassen. Wer sich diese Zeit nicht nehmen will und auch keine Muße für Detailsuche und Symbolinterpretation hat, sollte die Finger von dem Film lassen. Für experimentierfreudige Cineasten ist der Film die richtige Spielwiese zum austoben. Interessant ist vor allem auch die Erzählstruktur des Films, wurde z.B. Memento von hinten nach vorne erzählt, so wird dieser Film hier quasi von innen nach außen erzählt. Der Zuschauer wird aus einer mysteriösen „Zwischenwelt“ immer weiter bis in die Realität geführt. Und auch wenn der Zuschauer ab einem bestimmten Zeitpunkt wild rumspekuliert, was Realität und was nicht ist, so ist dass Ende nicht wirklich vorhersehbar, auch nicht wenn man „The Sixth Sense“ gesehen hat.

Insgesamt ein genialer Film, der dem Zuschauer aber einiges an Geduld und Konzentration abverlangt, ihn dafür aber mit fulminanten Bilder und einer Story, an die man noch Tage denkt, belohnt.


"Film ist die Übermittlung von Gedankeninhalten durch Bilderreihen, die zur Projektierung bestimmt sind."
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Detlef P.
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Beitrag von Detlef P. »

Den Film muss ich unbedingt noch sehen. Wollte ihn eigentlich diees Jahr sogar im Kino schauen, nur leider ist er nirgendwo gelaufen.
Aberbald ist er mein... :lol:


"Willst Du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten." (chin. Sprichwort)

"Die Seele ist das Schiff, Vernunft das Steuer und Wahrheit der Hafen." (türk. Weisheit)

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Wenn "2010" die Fortsetzung zu "2001" sein soll, dann ist "Sieben" das Prequel zu "8½". (Ich)

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Detlef P.
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Beitrag von Detlef P. »

Endlich, endlich, nach langen langen Jahren habe ich in gesehen.
Auch ich finde, dass der Film gerade durch die Bildkompositionen, Überblendungen, Schwenks und die wirklich starke Atmosphäre besticht.
Die Handlung selbst gibt Rätsel auf und ist sehr gut aufgebaut und erzählt.
Ich war wirklich gespannt darauf wie der Film aufgelöst werden würde - und war am Ende dann doch (ganz) leicht enttäuscht.
So wie ich das Ende für mich verstanden habe war es leider nicht das "Sixth Sense"- oder David Lynch-Ende, dass der Film gebraucht und eigentlich auch verdient hätte.
Ich will nicht wirklich meckern und fand den Film trotzdem ganz hervorragend. Aber beim Ende hätte man sich trotzdem etwas mehr Mühe geben können.
Trotzdem ein wirklich guter Film mit starken Schauspielern, der tatsächlich lange haften bleibt.


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