Wenn Du schon so fragst: ganz klar Segen!
Vor 25 Jahren hatte man noch gar keine andere Wahl, als neue Filme im Kino zu sehen und diese - mit starker Verzögerung - dann entweder im Free-TV zu gucken, oder auf VHS und später DVD zu erwerben.
Die Preise für einen Kinobesuch im Multiplex oder für einen aktuellen Film waren dementsprechend hoch. Da hieß es dann eben: friss oder stirb!
Das war neben der Filmindustrie in der Musikindustrie genau so. Und was machten wir hirngewaschenen End-User? Wir strömten massenweise in die Geschäfte, um unser ganzes Taschengeld für Filme und CDs auf den Kopf zu hauen.
Die Bosse in den Studios haben sich dann natürlich ins Fäustchen gelacht und sich dumm und dämlich verdient.
Als dann mit dem Internet und rasant steigenden Datenübertragungsraten Ende der 90er die ersten Filesharing-Plattformen entstanden, haben Millionen von Nutzern weltweit eben damit angefangen, sich Musik (und erst später Filme, auf Grund der Dateigrößen) illegal herunterzuladen. Das war die gnadenlose Rache der Konsumenten dafür, dass sie jahrzehntelang ausgequetscht wurden. Und die Kids vom Schulhof, die bis dato irgendeinen volljährigen Bekannten fragen mussten, ihnen die angesagten indizierten und beschlagnahmten Filme zu besorgen, was auch dementsprechend in Geld ging, konnten sich diese Filme nun ganz einfach herunterladen.
Plötzlich herrschte bei den alteingesessenen Studiobossen in Los Angeles blankes Entsetzen. Sie wussten sich zunächst gar nicht anders zu helfen, als weltweit Kampagnen zu starten, welche die User als Kriminelle verunglimpfen sollten, anstatt mal die eigenen Verfehlungen im Vermarktungskonzept zu hinterfragen. Kennt hier noch jemand diesen "Raubkopierer sind Verbrecher!"-Werbespot?
Aber es half ihnen alles nichts. Die Kundschaft blieb aus, die Gewinne brachen ein. Kurzum: Die fetten Jahren des fetten, alten, weißen Hollywoods schienen gezählt.
Später kamen dann Streamingdienste wie Netflix und HBO (und andere) um die Ecke. Die hatten ein ausgefeiltes Kompromissangebot and das hiesige weltweite Film-Publikum im Gepäck und sagten: Hey Leute! Ihr bezahlt uns einen regelmäßigen Grundbetrag, den sich (fast) jeder leisten kann und dafür stellen wir Euch (fast) alles, was Ihr Euch wünscht gratis, schnell, sicher und benutzerfreundlich direkt zur Verfügung. Und dafür müsst Ihr nicht mal lange auf den DVD-Erscheinungstermin warten. Ihr bekommt das alles direkt, wenn es fertig ist, hier bei uns.
Und siehe da: die User kamen in Strömen zurück und "Netflix & Chill" war geboren.
Neben den End-Usern kamen die Streamingdienste aber auch auf die Filmschaffenden zu. Wie Damien oben schrub, sagten die dann eben: Hey Marty! Dir gehen die Studios, Hierarchien und der ganze Muff in Hollywood voll auf den Sack? Du willst geile Filme drehen und brauchst dafür Geld, möchtest Dich aber gleichzeitig nicht verbiegen und irgendwelchen Anzugträgern in den Arsch kriechen? Kein Problem, komm einfach zu uns, wir geben Dir alles, was Du brauchst! Und so hatten sie dann eben auch Scorsese und andere in der Tasche. Clever, richtig clever!
Die alten Studiobosse in LA hatten sich immer noch nicht erholt und mussten nun mit ansehen, wie die Streamingdienste ihre Imperien endgültig in Schutt und Asche legten.
Ganz so einfach und einseitig war es allerdings dann doch nicht. Einige der alten Studios sprangen auf den Zug mit auf und fingen ebenfalls damit an, Inhalte auf eigenen oder kooperierenden Streamingdiensten anzubieten.
Ich denke, dass diese Entwicklung noch lange nicht an ihrem Ende angelangt ist und ich habe zu wenig Phantasie, um mir vorzustellen, wohin sich das in den nächsten Jahren noch entwickeln wird.
Aber einige Konstanten sind erkennbar: Die großen Bosse wollen möglichst viel Geld verdienen. Die Filmschaffenden wünschen sich ausreichend Budget, aber gleichermaßen künstlerische Unabhängigkeit, um ihre Visionen zu verwirklichen. Und der End-User (das sind wir!) will saufen und fressen, und das möglichst bequem und günstig.
Darüber hinaus ist aber auch klar, dass weder die legalen digitalen Speichermedien, noch das Filesharing oder das Streaming die analogen Erlebnisse ersetzen können, weder in der Film- noch in der Musikindustrie. Kinobesuche und Konzertbesuche werden hier für die meisten, oder zumindest einen Großteil der Konsumenten das Nonplusultra bleiben, egal wohin sich die Technik noch entwickeln wird.
Jetzt in Zeiten der globalen Pandemie bin ich allerdings ebenfalls sehr froh, dass wir Netflix haben.
