UNDERGROUND-TANNE 2006 AUSGEZEICHNET


"Der am 7. März 1999 in England verstorbene amerikanische Regisseur Stanley Kubrick war am 26. Juli 1928 in der New Yorker Bronx geboren worden, also rund drei Jahre nachdem Arthur Schnitzler seine Traumnovelle in Die Dame veröffentlicht hatte, auf der Kubricks letztes Werk, Eyes Wide Shut, beruht. Dazwischen liegt eine lange Karriere mit relativ wenigen Filmen.
Sein Vater, der Medizinstudent Jacques Kubrick heiratet 1927 in der Bronx Gertrude Perveler, die aus einer jüdischen Familie österreichischer Herkunft stammt. Im Jahr darauf wird Stanley geboren. 1942, er ist noch auf der highschool, publiziert das Magazin Look ein Foto von ihm. 1945, im zarten Alter von 17 Jahren, kann er Look das Bild eines Zeitungsverkäufers verkaufen, der von der Nachricht von Präsident Roosevelts Tod überwältigt ist. Im selben Jahr nimmt Stanley Kubrick die Ausbildung als Fotograf bei Look auf. 1946 wird er Reporter für das Magazin und bereist die USA und Europa. 1948 heiratet er seine Klassenkameradin Toba Metz. Zu seinen berühmten Fotos aus jener Zeit gehört die Serie über den Boxchampion Walter Cartier. Mit seinem Schulfreund Alfred Singer, einem Büroboten, beschliesst er 1950, billige Kurzfilme zu drehen. So entsteht der 16-minütige Kurzfilm Day of the Fight über Walter Cartier. Im Jahr darauf verlässt er Look, um sich ganz dem Film zuzuwenden. Nach seiner Scheidung heiratet Stanley Kubrick 1955 Ruth Sobotka, Tänzerin im New York City Ballet. Nach weiteren Filmen und erneuter Scheidung heiratet er 1958 die deutsche Malerin und Schauspielerin Christiane Harlan, die er auf dem Set zu seinem Antikriegsdrama Paths of Glory (der Film bleibt in einigen Ländern, so der Schweiz, jahrelang verboten) kennengelernt hat, und mit der er bis zu seinem Tod zusammenbleiben wird. Marlon Brando engagiert ihn im selben Jahr für seinen Western War and Peace als Regisseur, doch er geht im Streit, und mit einer Abfindung von 100 000 $. Brando hatte sich ständig in seine Arbeit eingemischt und führte nach seinem Abgang auch tatsächlich selbst Regie.
1959 übernimmt er vom nach nur acht Drehtagen gefeuerten Anthony Mann die Regie in Spartacus, obwohl er keinen Einfluss auf Drehbuch, Produktion und Verleih hat. Der Film ist Kubricks erster kommerzieller Erfolg und gewinnt mehrere Oscars und den Golden Globe für den besten Film. Er bleibt seine einzige All-Hollywood-Produktion. 1961 folgt Lolita, beruhend auf Nabakows gleichnamigem Buch. Der Film ist ein kommerzieller Erfolg, von der Kritik jedoch wird er kritisch aufgenommen. Stanley Kubrick gründet seine eigene Produktionsfirma und beschliesst, in Grossbritannien zu leben, wo er fast vierzig Jahre später sterben wird. 1963 dreht er für Columbia Pictures Dr. Stangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb. Die Vorlage zu dieser Satire über den Kalten Krieg mit Peter Sellers in drei Rollen bietet der Roman Red Alert von Peter George. 1968 folgt Kubricks 2001: A Space Odyssey. Erneut ein kommerzieller Erfolg, der von (Teilen zumindest) der US-Kritik zerrissen wird. Im Jahr darauf erhält er seinen ersten und einzigen persönlichen Oscar. Nicht für die Regieführung, sondern für die visuellen Effekte in seinem Science Fiction Film. 1970 folgt A Clockwork Orange, eine Satire auf filmische Gewaltorgien. Damit gewinnt er den New York Film Critics Award. Wegen Nachahmungstätern, copycat crimes, wird sein Werk nach zwei Jahren in Grossbritannien kritisiert und vom verletzten Kubrick zurückgezogen.
1973 beginnen die Arbeiten am Kostümdrama Barry Lyndon, nach dem Roman von William Makepeace Thackeray. 1976 erhält der Film vier Oscars. Drei Jahre später dreht er The Shining mit Jack Nicholson in der Hauptrolle. Wieder ein kommerzieller Erfolg und wieder Schläge von der Kritik. 1986 verstirbt sein Kameramann und Freund John Alcott, dessen innovative Kameraführung Kubrick in mehreren Filmen eingesetzt hatte. Bereits zuvor hat er die Arbeit am Vietnam-Kriegsdrama Full Metal Jacket, basierend auf der Novelle von Gustav Hasford, begonnen. Der Film kommt 1987 raus. Danach arbeitet Stanley Kubrick an mehreren Projekten, die nicht realisiert werden. Schliesslich kommt er auf Arthur Schnitzlers Traumnovelle zurück, mit der er sich seit Beginn der siebziger Jahre beschäftigt. 1996 nimmt das Projekt Formen an. Das Schauspielehepaar Nicole Kidman und Tom Cruise soll die Hauptrolle spielen. 1997 wird Stanley Kubrick in Venedig in Abwesenheit für sein Gesamtwerk mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet. Nach fünfzehn Monaten - und nachdem Harvey Keitel aus <Gründen der Disziplin> durch Syndey Pollack ersetzt worden war - enden die Dreharbeiten zu Eyes Wide Shut. Am 2. März 1999 kann Kubrick gerade noch Warner Bros. seine Endfassung präsentieren, bevor er fünf Tage später im Schlaf überraschend einem Herzversagen erliegt.
Der Perfektionist Stanley Kubrick, der Szenen bis zu 50 mal wiederholen liess, wird von verschiedenen Seiten als kühl, absolut kontrolliert sowie als genial, aber schwierig beschrieben. Kirk Douglas (Spartacus) nannte ihn einen "talentierten Idioten". Matthew Modine (Full Metal Jacket) gegenüber erklärte Kubrick seine Gewohnheit, Szenen oft wiederholen zu lassen, am Beispiel von Jack Nicholson: Der habe erst auf dem Set die Zeilen gelernt. Bei den ersten takes habe man den gewohnten Jack Nicholson gekriegt, mit dem die meisten Regisseure zufrieden gewesen wären. Nach zehn oder fünfzehn takes sei das Ganze schrecklich geworden. Dann habe Nicholson begonnen zu verstehen, was die Zeilen bedeuteten und schliesslich sei er sich nicht mehr darüber bewusst gewesen, was er sagte. Nach 30 oder 40 takes seien so die zu sprechenden Zeilen zu etwas Neuem geworden. Stanley Kubrick meinte dazu: Die Leute machen nicht ihre Hausaufgaben. Terry Semel von der Warner Bros. Film Division, der seit Barry Lyndon eng mit Kubrick zusammenarbeitete, legte dar, dass Stanley seine Filme immer mit kleinen Crews und zu einem sehr tiefen Tagesansatz schoss. Deshalb sei er nie aus finanziellen Gründen unter Zeitdruck gestanden und habe sich so lange Zeit genommen, wie er brauchte. Wir fügen hinzu, dass für Stanley Kubrick der Film in erster Linie eine Kunstform und nicht - wie für viele in Hollywood - ein Business war." (www.cosmopolis.ch)
Filme:
Fear and Desire (1953)
Der Tiger von New York (1955)
Die Rechnung ging nicht auf (1956)
Wege zum Ruhm (1957)
Spartacus (1960)
Lolita (1962)
Dr. Seltsam oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben (1964)
2001: Odyssee im Weltraum (1968)
Uhrwerk Orange (1971)
Barry Lyndon (1975)
Shining (1980)
Full Metal Jacket (1987)
Eyes Wide Shut (1999)
So, da ich den Typen vergöttere und ich fünf von seinen Filmen zu den besten 100, die ich kenne, zähle, habe ich ihn mal als erstes hier rein gestellt.
Der absolut außergewöhnlichste Regisseur, den es jemals gab.
Ich weiß, da wird mir bald jemand wiedersprechen...