So, da sind nun auch meine besten Kinofilme des letzten Jahres.
In der Tat habe ich mir am Ende "Heretic" dann doch gespart.
Einmal, weil das Ende und auch das komplette Ding wohl doch sehr umstritten sein soll und ich einfach nicht noch ein weiteres Desaster mit einem Horrorfilm erleben wollte (auf das erste werde ich später in den Sonderkategorien auch noch zu sprechen kommen).
Und zum anderen, weil der letzte Film, den ich 2024 im Kino gesehen habe, wohl nur sehr schwer zu übertreffen gewesen wäre.
Und ich bezweifle stark, dass das ein "Heretic" geschafft hätte, sodass ich das Jahr mit einem absoluten Highlight beenden konnte.
Dazu gleich auch noch mehr in meiner Liste.
Fangen wir an:
1. Poor Things
Lanthimos' Meisterwerk, bei dem ich gespannt bin, ob er es jemals wird übertreffen können.
Ich gehe fast nicht davon aus.
Eine überragende Emma Stone, die wirklich alles in ihrer Performance gibt.
Exzellente Nebenfiguren, die durch die grandiosen Darsteller wie Mark Ruffalo und Willem Dafoe zum Leben erweckt werden.
Das kongeniale Zusammenspiel von Kamerabildern, Ausstattung und Kostümen, das am Ende auf ein unfassbares Gesamtwerk hinausläuft.
Und selbstredend die brillante, weil hintersinnige wie überraschend komische Handlung, die mit etlichen Konventionen bricht und einen genial-philosophischen Kommentar zur Gesellschaft als solcher, als auch zur Rolle der Frau innerhalb dieser Gesellschaft und derer auferlegter Normen bildet.
Ganz, ganz großes Kino, das auch in Jahrzehnten noch Bestand haben wird.
2. The Holdovers
Wenn mir vor 20 Jahren jemand gesagt hätte, dass eine Kollaboration des "Sideways"-Teams mal in einer meiner Jahreslisten auf Platz 2 landen würde, hätte ich ihm wohl so lange den Vogel gezeigt, bis ich ein Loch im Kopf gehabt hätte
Paul Giamatti glänzt in einer der besten Rollen seiner Karriere in einer grandiosen Tragikomödie über Einsamkeit und verpasste Lebenschancen, in der zwei Menschen, die sich eigentlich hassen, zueinanderfinden, weil sie irgendwie doch ein gewisses Verständnis füreinander aufbringen.
Dabei balanciert der Film die humoristischen Momente mit den traurig-melancholischen perfekt aus und zeigt uns echte Charaktere in tollem 70er Jahre-Ambiente.
Und ganz nebenbei wird dann auch noch so herrlich bissig mit der Klassengesellschaft abgerechnet, wie ich es lange nicht mehr gesehen habe.
Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass Payne nach so langer Zeit qualitativ nochmal an seinen Kultfilm "Election" heranreichen würde.
Aber hiermit hat er es tatsächlich geschafft.
3. Die Saat des heiligen Feigenbaums
Das ist er! Das ist mein Jahresabschlussfilm 2024. Und wow, war ich begeistert nach diesem großartigen Stück Zelluloid.
Ein meisterhaft inszeniertes Plädoyer gegen das theokratische System im Iran während der Zeit der Proteste und politischen Unruhen auf Grund der Ermordung der jungen Studentin Jina Amini.
Die Abspaltung der weiblichen Bevölkerung von den patriarchalischen Strukturen wird durch den Zerfall einer wohlsituierten Familie auf immens eindrucksvolle Weise dargestellt.
Dabei hat der Film die gesamte Laufzeit von fast drei Stunden über eine durchgängig beklemmende Thriller-Atmosphäre, die einen unfassbar packt und beeindruckt.
Trotz der Überlänge kommt jedoch nicht eine Sekunde Langeweile auf und man ist bis zum letzten Moment wie gebannt von diesem Werk.
Als der Abspann lief, hat das Kinopublikum sogar applaudiert, was ich wirklich nur ein paar Mal in meinem Leben erlebt habe.
Ob Deutschland jetzt das "Recht" hat, ihn als besten Fremdsprachenfilm bei den Oscars einzureichen, darüber kann man trefflich streiten.
Fest steht jedoch, dass es sich insgesamt um ein sagenhaftes Stück Kino von enormer aktueller Relevanz handelt.
4. Amerikanische Fiktion
Einerseits ein hervorragender, bissig-satirischer Kommentar zum aktuellen Zeitgeist, wo bestimmte Gruppen besser zu wissen glauben, wie andere ethnische Gruppen in der Öffentlichkeit repräsentiert werden sollen, als die betroffenen Gruppen selbst.
Andererseits eine treffende Offenlegung all der vermeintlichen Kritiker, die sich mit fiktiven Werken beschäftigen und diese durch Interpretationen in eine vollkommen falsche Richtung einzuordnen versuchen.
Also kurz gesagt, ein provokanter, aber dadurch unheimlich vielschichtiger Film, der sich mit der afroamerikanischen Identität auseinandersetzt, was schon immer ein heißes Eisen war, ganz egal, wer es gerade geschmiedet hat.
Als dann zum Ende hin auch noch dem Publikum der Spiegel vorgehalten wird, indem auf eine kongeniale Metaebene gegangen wird, hat der Film dann endgültig das erreicht, was andere immer nur maximal zaghaft versucht haben.
Besonders kaputt gelacht habe ich mich über die Textpassagen des Buches im Film, die absichtlich schlecht geschrieben und dann vom Autor visuell imaginiert wurden.
In Deutschland ist der Film leider nur auf Amazon Prime erschienen. Das macht ihn jedoch nicht weniger großartig.
5. Kinds of Kindness
Wahnsinn, dass Lanthimos mit seiner neuen Muse Emma Stone nicht nur einmal, sondern gleich zweimal in meiner Jahres Top 5 vertreten ist.
Ich erinnere mich hier, dass ich direkt nach meinem Kinobesuch gar nicht so viel Begeisterung übrig hatte. Die setzte dann erst einige Tage später ein, weil der Film mich nicht mehr losließ.
Erst da begriff ich, dass Lanthimos hier quasi die Quintessenz seines Schaffens präsentiert hatte. Eine zwar komprimierte, aber zugleich vollkommen ungefilterte Präsentation seiner Kernthemen wie Demütigung, Macht, Kontrolle, Erniedrigung und Wahnsinn.
Dies alles paart er zum einen mit grandiosen Schauspielleistungen aller Beteiligten, von denen meiner Ansicht nach Jesse Plemons nur stellvertretend für das ganze Ensemble den Darsteller-Preis in Cannes eingeheimst hat.
Zum anderen fließen auch hier, wie üblich, völlige Absurditäten in die Handlung mit ein, bei denen man immer nicht weiß, ob man lachen oder mit den Kopf schütteln soll.
So oder so weiß ich, dass sich bestimmte Momente und Szenen für immer in mein Gedächtnis eingebrannt haben und ich sie, selbst wenn ich wollte, nie wieder würde vergessen können.
6. Challengers - Rivalen
Spiel, Satz und Sieg für Guadagnino und das schauspielerische Dreiergespann.
Die gelungene Mischung aus Sport- und Liebesdrama reißt einen von der ersten bis zur letzten Sekunde mit.
Das liegt zum einen an der grandiosen Besetzung, die sowohl die jungen, als auch die etwas älteren Versionen der Charaktere absolut überzeugend verkörpern.
Zum anderen natürlich auch an der rasanten, aber niemals gehetzt wirkenden Inszenierung.
Hier reißen vor allem die innovative Kameraarbeit in Kombination mit dem energiegeladenen Soundtrack einiges raus.
Daneben gibt es aber auch immer wieder ganz ruhige Szenen, in denen die vorherrschende Spannung nahezu greifbar erscheint.
Ein atemberaubendes Kinoerlebnis und eine der aufregendsten Dreiecksliebesbeziehungen, die ich seit langem gesehen habe.
7. The Substance
Eine unfassbare Tour de Force, der man als Zuschauer beiwohnen kann.
Und ich bin sehr froh, dass es nach wie vor so innovative Grundideen gibt, wie hier.
Demi Moores Comeback und zugleich die wohl beste Performance ihrer gesamten Karriere, die ich ihr zuvor kaum zugetraut hätte.
Eine nicht minderbegabte Margaret Qualley, die endlich da angekommen ist, wo sie schon lange hingehört.
Die auf Hochglanz polierte Inszenierung macht die fast schon mit dem Holzhammer präsentierte Satire über die sexistische Glamourwelt des Showbiz nur noch deutlicher und fördert gegen Ende auch immer mehr und mehr unappetitliche Momente zu Tage.
Schade finde ich in diesem Zusammenhang nur das große Finale, bei dem sie leider zu sehr über die Stränge geschlagen haben.
Wäre das nicht gewesen, hätte der Film in meiner Liste vielleicht sogar noch weiter oben gestanden.
8. Drei Töchter
Der ultimative Geheimtipp des Jahres, der leider so gut wie untergegangen ist.
Dabei kann ich nur dringend empfehlen, dieses kammerspielartige Familiendrama einmal auszuprobieren.
Erstmal zeigen sowohl Carrie Coon, als auch Natasha Lyonne, sowie Elizabeth Olsen herausragende und sich absolut ebenbürtige Leistungen.
Dann entwickelt die Inszenierung durch das begrenzte Setting und die dadurch entstehende formale Strenge eine ungeheure Intensität, wie man sie heutzutage nur noch selten findet.
Zu Beginn entwickelt sich die Handlung und die damit einhergehende Charakterzeichnung noch recht langsam, wird dann aber immer interessanter, bis sie in einer der allerbesten Finalszenen endet, die ich dieses Jahr das Glück hatte, bestaunen zu dürfen.
Dieses Ende werde ich zu Lebzeiten nicht mehr vergessen. Das weiß ich genau.
Das Unglaublichste an der ganzen Sache ist jedoch, dass es sich hierbei tatsächlich um einen Netflix-Film handelt. Zwar "nur" vom Toronto Film Festival eingekauft, aber trotzdem...
9. Dune: Part Two
Nachdem der erste Teil auch bereits als wirklich gelungen bezeichnet werden kann, setzt der zweite hier sogar nochmal deutlich eins drauf.
Die Darstellerinnen und Darsteller sind mit ihren Rollen mittlerweile perfekt vertraut und es kommen sogar einige neue interessante Figuren dazu.
Unter ihnen gibt wohl Austin Butler die mit Abstand beste Performance als na-Baron Feyd-Rautha ab.
Ein psychopathischer Irrer, bei dem ich mich nun ganz besonders freue, dass Butler bei der Neuadaption von "American Psycho" den Bateman geben wird.
Aber zurück zum Thema: "Dune" ist nicht nur wegen des großen Staraufgebots oder der epischen Inszenierung so gut, sondern ganz besonders wegen der vielschichtigen Story.
Krieg, religiöser Fanatismus und Imperialismus werden thematisiert, weswegen auch einige die "Dune"-Verfilmungen als "intelligentes Star Wars" bezeichnen.
Und wer bin ich, dem zu widersprechen
Unter'm Strich bleibt ein fulminantes Seherlebnis, bei dem es wirklich verblüfft, dass die Buchvorlage schon über 50 Jahre alt, dafür aber immer noch so zeitaktuell ist.
10. Civil War
Der Abschluss meiner Jahres Top 10 ist ganz klar kein klassischer Unterhaltungsfilm, auch wenn er definitiv nicht langweilig ist.
Eines ist er dabei aber ganz sicher: faszinierend.
Zu sehen, wie ein moderner, amerikanischer Bürgerkrieg möglicherweise aussehen könnte, dies auch noch durch die Augen von versierten Kriegsberichterstattern, entwickelt über die Laufzeit des Films eine sehr interessante Dynamik.
Es gibt tolle Schauspielleistungen und packende Inszenierungen zu bestaunen, wobei der Film in den ruhigen Momenten sogar oft so eine Art Wachtraumatmosphäre aufweist, die für sich alleine schon in den Bann zieht.
Besonders interessant finde ich die Tatsache, dass Alex Garland die Perspektive des Journalismus gewählt hat, da diese ja oft als die vierte Gewalt bezeichnet wird.
Ganz nach dem Motto: Wenn die ersten drei Gewalten das Land nicht mehr zusammenhalten, muss die Geschichte aus der Sicht der vierten erzählt werden.
Ist aber nur eine Interpretation meinerseits.
Ebenfalls gut waren:
The Zone of Interest
Late Night with the Devil
Der wilde Roboter
Alles steht Kopf 2
Anora
Sterben
Kleine schmutzige Briefe
Größte Überraschung des Jahres:
Das war in diesem Jahr wohl "Goodbye, Julia", der erste sudanesische Film, den ich jemals gesehen habe - und dann auch noch im Kino.
Und ich war wirklich traurig und überrascht, dass für ihn in meiner Jahresliste kein Platz mehr war.
Ein faszinierender Film über Vorurteile, Lügen, Schuld und Sühne, der mir noch einmal viel über die Geschichte zwischen Sudan und Südsudan offenbart hat.
Interessanterweise beginnt die Geschichte recht konventionell und man vermutet zu wissen, wie er enden wird, schlägt dann aber doch einen überraschenden Haken, den man so nicht kommen sieht.
Toll zu sehen, was für spannendes Kino in Ländern entstehen kann, die man diesbezüglich eigentlich gar nicht auf der Rechnung hat.
Größte Enttäuschung des Jahres:
Das sollte dieses Jahr wohl nicht für allzu große Verwunderung sorgen.
Die "Auszeichnung" für den größten Mist und somit auch die größte Enttäuschung geht ganz klar an "Longlegs".
Mann, was wurde dieser Müll gehyped und wie wurde Cage für seine Rolle in den Himmel gelobt.
Und am Ende steht man vor einem cineastischen Scherbenhaufen, bei dem nichts Sinn ergibt und erkennt, dass zwei Stunden seines Lebens für diesen langweiligen Scheiß draufgegangen sind.
Würde ich in den USA leben, hätte ich wohl große Lust, all die arschkriecherischen Kritiker wegen Falschaussage vor Gericht zu zerren
Kurzweiligster Unsinn des Jahres:
Hahaha, tatsächlich hatte ich mitbekommen, dass dieser "Red One" mit The Rock zu Weihnachten schon bei Prime drin war.
Ins Kino wäre ich für den Quatsch wohl nicht gegangen, aber quasi umsonst dachte ich mir: Warum nicht?
Und ich habe es keine Sekunde bereut.
Der Film ist absolut keine hohe Kunst und ist einerseits ein typisches Content-Produkt und sollte tatsächlich ursprünglich direkt bei Amazon erscheinen, bis man sich überlegt hat, ihn doch ins Kino zu bringen.
Andererseits sticht er schon irgendwie aus diesem Content-Kram hervor und ist bei weitem nicht so drecksdämlich und dreist zusammengeklaut wie "Red Notice", die Mutter aller Algorithmus-Filme.
Es sind schon ein paar nett-verrückte Ideen drin, die Darsteller machen Spaß und die Action kommt klar aus dem Computer, ist aber wirklich rasant inszeniert.
Ich bezweifle, dass ich mir den irgendwann nochmal ansehen werde, aber für den 1. Weihnachtstag alleine zu Hause war das genau das Richtige.
Kurz noch ein paar Zahlen und Fakten:
Insgesamt war ich im vergangenen Jahr 26 Mal im Kino und habe zusätzlich noch sechs weitere Neuerscheinungen auf Streamern oder in Mediatheken gesehen.
Damit komme ich insgesamt auf 32 Filme für 2024.
Wenn man bedenkt, dass es ein Jahr vorher noch die großen Streiks in Hollywood gab, ist das ein mehr als zufriedenstellendes Ergebnis, wie ich finde.
Dann bereiten wir uns schon mal auf das Kinojahr 2025 vor...
