Volands Nosferatu: Analyse zweier Außenseiter

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Moderator: Damien3

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Voland
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Volands Nosferatu: Analyse zweier Außenseiter

Beitrag von Voland »

Nosferatu, das ist sowohl "Nosferatu, eine Symphonie des Grauens" von dem deutschen Melancholiker Friedrich Wilhelm Murnau, als auch "Nosferatu: Phantom der Nacht" von dessen Bewunderer Werner Herzog.

Man ist versucht zu behaupten, die beiden Verfilmungen des Dracula-Stoffes würden sich gleichen wie ein Ei dem anderen. In gewisser Weise ist das auch richtig. Jedoch ist gerade bei so einem Zeitunterschied von Grund auf ein Unterschied vorprogrammiert.

Wo Murnau noch die direkten Vernüpfungen zum Roman versagt blieben, hat Herzog in Gedenken an ein Vorbild freiwillig das Exil gewählt. Jedoch stößt er mit der namentlichen Nennung Graf Draculas und anderen Figuren aus dem Roman einige Löcher in die Wand des Exils. Wir können aber schon gleich an diesem ersten Beispiel den gesamten Zusammenhang der beiden Filme erkennen.

Werner Herzog versuchte, einen eigenständigen Film zu schaffen, ohne jedoch die Hommage an Friedrich Wilhelm Murnau und seinen "Nosferatu, eine Symphonie des Grauens" aus den Augen zu verlieren. So gelangt er immer zurück zur Froschperspektive, oder den übernommenen bekanntesten Szenen aus dem Original.

Zu Beginn von "Nosferatu: Phantom der Nacht" ist man ein wenig überrumpelt. Auch später noch, bei Szenen mit Isabelle Adjani, fühlt man zu sehr die filmische Vorlage. Eine Anpassung an die Neuzeit des Films ist zwar vollzogen worden, aber gerade wo Herzog die Szenen aus dem Original übernommen hat kommt es zu Komplikationen. Die stummen, ruppigen Bilder von Murnau sind für die damalige Zeit und Technik gemacht - Herzog jedoch dreht das alles mit heutiger Technik. Das erkennt man leider stark und so war es wohl ein Fehler, die Szenen zu übernehmen.
Bruno Ganz, der ja die meiste Zeit die Hauptperson im Bild ist, spielt nicht so extrem in Richtung Stummfilm. Isabelle Adjani jedoch hat zu viele Charakterzüge ihres Stummfilmpendants studiert, sodass vor allem ihre Auftritte Fehl am Platz wirkten. Ihr Mimik, auch die Gestik sind hervorragend. Darüber braucht man nicht streiten. Bloß tut sie den Mund auf, so ist alles verloren. Der Zauber des Stummfilms ist vorbei.

Max Schreck war für mich immer ein grauenerregender Darsteller. Perfekt für diese Rolle, das war er. Leider ist er im Original die einzig herausragende Person. Bei Herzog sieht die Sache anders aus, da hier auch das junge Paar mit ausgezeichneten Darstellern besetzt ist. Jedoch ist auch hier der Graf die unbezwingbare Gallionsfigur des Films. Klaus Kinski als Graf Dracula und Max Schreck als Graf Orlock. Das sind wohl die zwei schrecklichsten Vampire der gesamten Filmgeschichte. Womit will da ein Anthony Hopkins aus "Bram Stoker's Dracula" dagegenhalten?
Klaus Kinski, dieser Wahnsinnige, er ist einfach zum Fürchten. Man wird das Gefühl nicht los, dass Bruno Ganz' Furcht nicht gespielt ist.

Wo Murnaus Film noch auf die wesentlichen Dinge reduziert wurde, hat Herzog seinen Film ausgebaut und umfangreicher gestaltet. Er hat deutlich mehr auf Details gesetzt, die bei Murnau als unwesentlich angesehen wurde. Und dennoch haben beide Recht. Sowohl "Nosferatu, eine Symphonie des Grauens", wie auch "Nosferatu: Phantom der Nacht" sind überraschend kurzweilig.

Meist spreche ich mich gegen reine Kopien von Klassikern aus. Hier jedoch bin ich der Meinung, dass Herzog nur eine augenscheinliche Kopie geschaffen hat. Meine Begeisterung hält sich aber dennoch in Grenzen, ganz im Gegenteil zu "Nosferatu, eine Symphonie des Grauens".


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Detlef P.
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Re: Nosferatu: Analyse zweier Außenseiter

Beitrag von Detlef P. »

Voland hat geschrieben: Womit will da ein Anthony Hopkins aus "Bram Stoker's Dracula" dagegenhalten?
Was meinst du damit?
Gary Oldman hat doch den Dracula gespielt.
"Dracula" von Coppola ist übrigens nebenbei bemerkt einer der grottigsten Horrorfilme, die ich je gesehen habe.

Ansonsten stimme ich dir in deiner Analyse größtenteils zu.
Auch ich war überrascht von Kinskis Spiel und auch von den anderen Akteuren.
Mir ist aufgefallen, dass im Film auch sehr wenig gesprochen wird, wahrscheinlich als Tribut an den Klassiker.
Trotzdem bleibt der von Murnau immernoch unerreicht.


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Voland
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Beitrag von Voland »

Oh, stimmt. War ein Fehler meinerseits. Hopkins war der Doktor.


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Damien3
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Beitrag von Damien3 »

Ich fand Dracula seinerzeit im Kino vergleichbar mit dem heutigen Matrix.
Die Art und Weise wie Coppola seine Bilder komponierte hält noch heute an.
Ich finde das perfekteste Monster ist immer noch de Niro als Frankensteins Monster. Dieser ganze Frankensteinfilm von Kenneth Brannagh gefiel mir besser als die Nosferatus..aber das ist halt geschmackssache.


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Beitrag von Voland »

Dracula würde ich nicht mit Frankenstein vergleichen. Das sind doch zwei grundverschiedene Dinge. Bloß weil sie damals in den 30ern berühmt verfilmt wurden?

Der Frankenstein ist übrigens total lahm. Blöder Film, genauso wie der Coppola.


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Beitrag von Damien3 »

Ja gut, es sind andere Monster, aber es geht um die Geschichte von Außenseitern die mir bei dem F Film besser gefallen hat. Und eventuell mainstreamlastiger ist.


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Beitrag von Voland »

Halte Dracula keineswegs für einen Außenseiter. Mainstreamlastig sind aber sowohl "Dracula" als auch "Frankenstein" - und letzterer sogar ein wenig extremer. Da hast Du Recht.


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Beitrag von Damien3 »

Äh, ein Typ der auf einem Schloß in Transylvanien wohnt und hunderte von Jahren seiner Flamme nachtrauert und das erste mal Kontakt mit Menschen hat, wenn er vorgibt seine Hütte zu verkaufen ist kein Außenseiter? Wie würdest du das nennen?


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Beitrag von Voland »

Auf diese Art und Weise könnte man viele Personen als Außenseiter bezeichnen. Frankenstein hat keine andere Wahl, er wird dazu gezwungen Außenseiter zu sein. Nosferatu ist von Grund auf böse. Dracula ist Außenseiter, weil er sich selbst dazu macht. Der Kerl hat gar nichts mit einem Außenseiter gemein, außer, dass er abseits der Menschen wohnt.


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