Orson Welles

Die größten Meister, die größten Nieten, ihre Filme, ihre Leben.

Moderator: Detlef P.

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Detlef P.
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Orson Welles

Beitrag von Detlef P. »

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"Orson Welles durchlebte alle Medienformen des 20. Jahrhunderts. Seine Karriere begann am Theater. In den 30er Jahren wurden soziale Projekte von der Regierung unterstützt und Orson Welles inszenierte in New York Shakespeare. Seine Aufführung von Julius Caesar, die das Drama modernisiert, zahlreiche aktuelle Bezüge herstellt und das Publikum in die Aufführung einband, gilt als eine der bedeutendsten Shakespeare-Inszenierungen auf amerikanischem Boden. Sein „Voodoo-Macbeth” ist ebenso legendär.

Weit über die New Yorker Grenzen hinaus wurde er durch seine Arbeit für das Radio bekannt. Er sprach in der Hörspielreihe The Shadow die Titelfigur und produzierte mit seiner Theatertruppe Literaturklassiker, den Auftakt des Mercury Theater on the Air bildete am 11. Juli 1938 Dracula. Zahlreiche Anekdoten schmücken die Probleme aus, die es ihm bereitete, gleichzeitig für Theater und Radio zu arbeiten.

Landesweite Bekanntheit erlangte Orson Welles durch das Hörspiel War of the Worlds, das am Halloween-Abend 1938 nach der Vorlage des Science-Fiction-Romans Krieg der Welten von H. G. Wells ausgestrahlt wurde. Diese fiktive Reportage soll bei ihrer Erstausstrahlung am 30. Oktober 1938 an der Ostküste der USA eine Massenpanik verursacht haben – ob diese tatsächlich oder nur in Medienberichten stattfand, ist umstritten.

Das „Wunderkind” wurde von RKO nach Hollywood gelockt, was die gleichzeitige Arbeit für das Radio wieder verkomplizierte. Orson Welles erhielt als bisher einziger Autor/Regisseur komplette „Carte blanche” von seinem Filmstudio: Er durfte einen Film seiner Wahl nach seinen eigenen Vorstellungen drehen. Ideen, wie beispielsweise Joseph Conrads Ins Herz der Finsternis zu verfilmen, waren jedoch undurchführbar. Schließlich diente ihm das Leben des Medienzaren William Randolph Hearst als Vorlage für die Biographie eines „Amerikaners” (wie der Film ursprünglich auch heißen sollte). Orson Welles war an allen Aspekten des Filmes maßgeblich beteiligt: Er schrieb am Drehbuch mit, führte Regie, spielte die Hauptrolle und produzierte – damit avancierte er zum Idol und Traum eines jeden Filmemachers, der nach ihm kommen sollte.

Obwohl von Kritikern gelobt und bis heute geehrt, blieb Citizen Kane der große Erfolg verwehrt, was zum Teil auf Hearsts Kampagne gegen den Film zurückgeführt wird. Citizen Kane besticht auch heute durch seine multiperspektivische Erzählweise, seine theatrale Optik und die Finessen des Soundtracks – Welles kombinierte hier alle Medienformen in eine. Seine darauffolgenden Filme – oft mit großen Ambitionen gestartet und in Produktionswirren verstrickt – konnten die Opulenz von Citizen Kane nicht mehr erreichen. Der Glanz des Hauses Amberson, gleich nach Citizen Kane gedreht, ist heute nicht mehr vollständig erhalten, und es gibt zahlreiche Erklärungen für die Veränderungen durch das Studio und Welles’ Abwesenheit während der Nach-Produktion.

Unter anderem aufgrund seiner Ehe (1944 – 1948) mit Rita Hayworth war sein Name häufig in der Boulevardpresse zu finden. Kurzzeitig war Welles auch politisch, eher auf der „linken“ Seite des politischen Spektrums, engagiert. 1948 verließ Welles Hollywood in Richtung Europa. Hier hatte er 1949 in der Rolle des Harry Lime in Der dritte Mann und einer darauf basierenden Hörspielserie kommerziellen Erfolg.

Die folgenden Jahrzehnte waren geprägt von Misserfolgen und Rückschlägen. Filme wie Herr Satan persönlich und Im Zeichen des Bösen wurden zwar von manchen Kritikern gelobt, fanden aber kaum den Zuspruch des Publikums. Zudem wurden sie oft von den Produzenten ohne Welles’ Zustimmung in veränderten und geschnittenen Versionen herausgebracht.

Durch diese Erfahrungen enttäuscht, versuchte Welles nun, seine Projekte selbst zu realisieren. Um das Geld dafür zu verdienen, spielte er in über 100 Filmen mit. Dass er dabei auch an minderwertigen Projekten mitwirkte – unter anderem spielte er auch in Werbespots mit und synchronisierte billige Zeichentrickserien – ließ sein Ansehen als Filmkünstler in der Öffentlichkeit weiter sinken.

Bei der Verwirklichung seiner eigenen, potenziell viel wertvolleren Projekte, wurde er vom Pech verfolgt:

Der Film The Deep war fast fertig, als das Geld ausging und die Dreharbeiten verschoben werden mussten. Kurz darauf starb der Hauptdarsteller, so dass die fehlenden Szenen nicht mehr gedreht werden konnten.
Eine Verfilmung von Shakespeares Der Kaufmann von Venedig war bereits fertig gestellt, aber mehrere Filmrollen verschwanden.
The Other Side of the Wind, ein teilweise autobiografischer Film um einen alternden Regisseur, ist bis heute Objekt gerichtlicher Auseinandersetzungen, weil der Schwager des letzten Schahs Mohammad Reza Pahlavi an der Finanzierung beteiligt war.
Die durch Improvisation gekennzeichnete Verfilmung von Don Quichote musste er nach einigen Jahren wegen Tod das Hauptdarstellers abbrechen.
Als einer der ersten „Kinoregisseure” war er vom Fernsehen begeistert und suchte dort neue Betätigung. Auch schrieb er – wohl unter Pseudonym – einige Billig-Romane und Drehbücher. Als häufiger Gast in Talkshows hielt er nach seiner Rückkehr in die USA seinen Mythos aufrecht. Seine Shakespeare-Verfilmungen Macbeth, Othello und Chimes at Midnight (ein Destillat aus fünf Stücken) gelangten nach größeren Produktionsproblemen – Macbeth musste komplett neu synchronisiert werden, an Othello arbeitete er drei Jahre, Chimes war auf der Bühne ein Misserfolg – ins Kino, konnten jedoch kein Massenpublikum anziehen.

Größere Aufmerksamkeit erlangte Welles noch einmal 1975 mit dem verschachtelten Film-Essay F wie Fälschung, in dem der umstrittene Kunstfälscher Elmyr de Hory und der nicht minder umstrittene Autor Clifford Irving, der eine gefälschte Biografie über Howard Hughes sowie eine echte Biografie über den genannten de Hory geschrieben hatte, portraitiert werden. Der Film selbst nimmt es dabei mit der Wahrheit auch nicht immer genau, was aber beabsichtigt ist.

In diesem Film tritt auch Oja Kodar auf, eine kroatisch-französische Schauspielerin, die in Welles′ letzten Lebensjahren seine engste Gefährtin und Mitarbeiterin wurde. Sie arbeitete unter anderem am Drehbuch von The Other Side of the Wind mit.

Welles, der seit längerem an übermäßiger Fettleibigkeit litt, starb 1985 an Herzversagen. Seine letzte Ruhestätte fand Orson Welles in der südandalusischen Stadt Ronda.

Seinen filmischen Nachlass vermachte er Oja Kodar, die seit Anfang der 90er Jahre daran arbeitet, das Werk von Orson Welles zu erhalten und zugänglich zu machen." (www.wikipedia.de)


Filmographie:

Citizen Kane (1941)
Der Glanz des Hauses Amberson (1942)
Die Spur des Fremden (1946)
Die Lady von Shanghai (1947)
Macbeth (1948)
Orson Welles´ Othello (1952)
Herr Satan persönlich! (1955)
Im Zeichen des Bösen (1958)
Der Prozess (1962)
Falstaff (1965)
Die Stunde der Wahrheit (1968)
F wie Fälschung (1974)

Es ist fast nicht zu glauben, dass Orson Welles nur so wenige Filme gemacht hat. Leider sind viele Projekte die er begonnen hat unvollendet geblieben, sodass es insgesamt wirklich nur 12 Filme sind.
Ich kenne 4½ seiner Filme. Bei "Herr Satan persönlich!" bin ich vor ein paar Jahren zwischendrin eingenickt. Was ich mitbekam fand ich allerdings auch nicht besonders.
Die anderen vier zeigen jedoch was für ein Genie Welles war. "Citizen Kane", "Der Glanz des Hauses Amberson", "Die Spur des Fremden" und "Im Zeichen des Bösen".
Besonders "Citizen Kane" hat viele Dinge neu erfunden, von der Erzählweise bis zu Kameraeinstellungen.
Ich halte "Die Spur des Fremden" für sein bisher unterhaltsamstes Werk. Für ihn ist es der seiner Filme den er am wenigsten mag.


"Willst Du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten." (chin. Sprichwort)

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"Der größte Feind des Wissens ist nicht Unwissenheit, sondern die Illusion, wissend zu sein." (Daniel J. Boorstin)

Wenn "2010" die Fortsetzung zu "2001" sein soll, dann ist "Sieben" das Prequel zu "8½". (Ich)

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Homer
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Beitrag von Homer »

Hey, ich kenne eineinhalb Filme mehr von ihm als du Detlef :mrgreen:

"Citizen Kane": Klar, ein Meisterwerk der Filmgeschichte usw.
"Die Spur des Fremden": Guter Film-Noir-Krimi mit Welles als Nazi und Edward G. Robinson als dessen Jäger; mit tollem Finale
"Die Lady von Shanghai": Noch ein Film Noir, diesmal mit einer verzwickten, manchmal recht verwirrenden Geschichte,
aber das geniale Finale im Spiegel-Kabinett ist eines der besten überhaupt
"Othello": Eher karge, aber doch eindrucksvolle Adaption
"Im Zechen des Bösen": (Mir fällt gerade auf, wie viele Filme der Mann im Noir-Stil gedreht hat); jedenfalls ein geniale Kamerafahrt zu Beginn und auch sonst ein klasse Film,
indem Welles allein schon durch seine (aufgepolsterte) Körpermasse beeindruckt
"Der Prozess": Welles verfilmt Kafka; hab den Film vor Jahren mal gesehen und war danach ziemlich ratlos; inzwischen würde ich ihn aber gerne nochmal ansehen

Schade, dass Welles nicht mehr Filme gedreht bzw. vollendet hat, aber dafür hat er auch viele andere Filme
durch seine Anwesenheit veredelt und sein Harry Lime ist die vielleicht beste
"Unter 10 Minuten Screentime Performance" der Filmgeschichte


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Detlef P.
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Beitrag von Detlef P. »

Verdammt, da hast du mich aber fertig gemacht :mrgreen:
Mich würde am meisten "Falstaff" interessieren. Soll eines seiner größten Meisterwerke sein, ist aber total unbekannt.
"Der Prozess" würde ich auch gerne mal sehen, aber vorher würde ich noch das Buch lesen.


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