Filme in Relation zu der jeweiligen (politischen) Epoche

Hier könnt ihr diskutieren, was das Zeug hält, jedoch nur über alles, was das Thema Film betrifft.

Moderator: Detlef P.

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Detlef P.
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Filme in Relation zu der jeweiligen (politischen) Epoche

Beitrag von Detlef P. »

Ist euch mal aufgefallen, dass sich auch die Art von Filmen im Kino ändert, wenn eine neue (politische) Ära anbricht?

In Zeiten, in denen die Welt sozusagen am Abgrund steht laufen in den Kinos sehr stark zwei Arten von Filmen.
Zum ersten laufen sehr viele Science-Fiction und vor allem viele Fantasy-Filme. Soziologisch wurde das so ausgelegt, dass die Menschen ihrem bedrückenden Alltag (Krieg, Elend, wirtschaftliche Armut,...) entkommen wollen und sich deshalb in fremde Welten flüchten. Und es stimmt, der Fantasy-Kram (nicht zuletzt "Herr der Ringe") hat in den letzten Jahren geboomt wie kaum etwas anders im Kino. Auch in den 70ern war bereits die große Zeit der Kino-Science-Fiction angebrochen. "Star Wars" o.ä. hat es bewiesen.
Zum zweiten werden in politisch heiklen Zeiten auch gerne wieder richtig harte Horror- und Splatter-Filme gezeigt. In den 70er Jahren waren es vor allem dieser berühmte indizierte Film mit der Kettensäge und Der Zombie-Film mit dem Kaufhaus, welche - Überraschung - genau in der heutigen Zeit ein Remake erleben dürfen. Solche Filme sollen angeblich indirekt die emotionale gesellschaftliche Lage allegorisch widerspiegeln.
In den 90er Jahren, als die Welt noch sicher schien, hätte ein Film wie "The Descent" wohl kaum so einen Erfolg gehabt. Da fuhren die Leute eher auf Filme wie "Scr**m" ab, der diese ganze Teenie-Horror-Welle durch die Scheiße zog, da ging es uns ja noch gut, da konnte man sich ja endlich mal so richtig über diese ganzen bekloppten Filme der 70er und 80er lustig machen, die zu der damaligen Zeit mehr oder weniger als Abbildung der gesellschaftlichen Stimmung gesehen werden konnte.
Hingegen hätten heutzutage lustig-ironische Teenie-Horrorfilme keine Chance mehr beim Publikum.
Allerdings haben diese politisch-brisanten Epochen auch etwas gutes. Das Independent-Kino erblüht zu neuem Leben (wie geschehen) und vor allem wird durch die Beliebtheit der Indie-Filme, die sich eher mit realistischen zwischenmenschlichen Problemen befassen, die korrupte Welt Hollywoods auf den Kopf gestellt und revolutioniert, da niemand mehr den Einheitsbrei sehen will (natürlich abgesehen von den Fantasy-Filmen).

Interessant, oder?
Denkt mal darüber nach, und schreibt, falls ich eine Besonderheit einer Ära vergessen habe.
Zuletzt geändert von Anonymous am Mi 19. Sep 2007, 14:07, insgesamt 1-mal geändert.


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Murillo
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Beitrag von Murillo »

Ich finde, dass die Theorie ein bisschen zuweit hergeholt ist, als dass man klare Aussagen über solche Zusammenhänge machen könnte.
Andererseits hast Du durchaus Recht, dass es teilweise Parallelen zwischen der politischen Situation in der westlichen Welt und den Filmen gibt.
Könnte aber auch reiner Zufall sein.

Um die These nochmal zu unterstützen möchte ich jedoch einwerfen, dass es in den Jahren dem 11. September eine Reihe von recht erfolgreichen Katastrophenfilmen, wie "Independence Day", "Armageddon", "Mars Attacks", "Deep Impact" etc gegeben hat. Daraus könnte man schließen, dass die Menschen in den USA und Europa sich nach Angst und Terror gesehnt haben. :cool:


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Detlef P.
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Beitrag von Detlef P. »

Murillo hat geschrieben:Um die These nochmal zu unterstützen möchte ich jedoch einwerfen, dass es in den Jahren dem 11. September eine Reihe von recht erfolgreichen Katastrophenfilmen, wie "Independence Day", "Armageddon", "Mars Attacks", "Deep Impact" etc gegeben hat. Daraus könnte man schließen, dass die Menschen in den USA und Europa sich nach Angst und Terror gesehnt haben. :cool:
Ehrlich gesagt halte ich DIESE These für eher unrealistisch. :mrgreen:


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Voland
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Beitrag von Voland »

Natürlich beeinflusst die Regisseur und vor allem die Nachfrage die aktuelle Situation in der Welt! Das war doch schon seit Urzeiten so. Wie sonst hätten der italienische Neorealismus, die russische Avantgarde oder die goldenen 70er Hollywoods sonst entstehen können? Politik ist Gesellschaft und die Gesellschaft macht den Film. Sei es indirekt über die Nachfrage oder direkt über den Autoren- bzw. Independent-Film.


Ich bin für geistige Zensur. Filme werden moralisch und politisch begutachtet, aber die Dummheit darf passieren.
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Murillo
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Beitrag von Murillo »

Am Film sind grundsätzlich viele verschiedene Gesellschaftssubsysteme beteiligt. In erster Linie die Wirtschaft, denn die meisten Filmemacher üben ihren Beruf aus Profitgründen aus (was aus ihrer Sicht ja nur vernünftig ist).
Darüber hinaus gibt es in einigen, jedoch der Minderheit aller Fälle, co-evolutive Erscheinungen in denen Politik und Kunst (nur als Beispiel, man könnte auch Wirtschaft vs. Eriehungssystem o.ä. nehmen)sich gegenseitig beeinflussen können, zum Vorteil oder Nachteil derjeweiligen betroffenen Systeme. Konkrete Beispiele:

"Panzerkreuzer Potemkin"

"J*d S*ß" (gehe mal davon aus, dass der indiziert ist)

"Weekend"

- darüber hinaus hatte ich bei manchen Reden von George W. Bush den Eindruck, dass er sich in der Rhetorik von einschlägigen Hollywood-Blockbustern inspirieren ließ.

:mrgreen:


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