Klaus Kinski
Verfasst: Fr 25. Feb 2005, 16:06
1926 im ostpreußischen Zoppot geboren, begann Klaus Kinskis Karriere 1953 in Berlin, wohin ihn Borislaw Barlog nach ersten Rollen am Theater in Tübingen und Baden-Baden holte. Doch schon bald brach Kinski mit seinem Förderer, warf ihm die Fensterscheiben der Wohnung ein und begann seine Laufbahn "als Exzentriker der Bühne und des Lebens" (FAZ). Seinen ersten triumphalen Erfolg feierte Kinski mit Jean Cocteaus Einakter "La voix humaine" - verkleidet als Frau. Für das prüde Berlin der 50er Jahre ein Skandal. Neben seiner Theaterarbeit machte er sich in dieser Zeit mit seiner "Ein-Mann-Wanderbühne" einen Namen. Mit seinen leidenschaftlichen Rezitationen der Werke Baudelaires und Nietzsches, Villons und Dostojewskis füllte er Säle.LINK ZUM FILMARCHIV AUSTRIA - Werner Herzog und Kinski im Clinch - während der Dreharbeiten zu "Cobra Verde" - ist doch wohl nicht ganz ernst gemeint oder...?
International bekannt wurde Klaus Kinskis mit seiner Arbeit beim Film. Schon seit der zweiten Hälfte der 40er Jahre immer wieder auf der Leinwand zu sehen, erlangte er vor allem durch seine Auftritte in unzähligen Edgar-Wallace-Filmen Popularität, in denen er auf die Rolle des dem Wahnsinn nahen Bösewichts abonniert war. Diese wie auch die meisten anderen seiner über 160 Filme fand Kinski selbst "zum Kotzen". Nach der erfolgreichen Zusammenarbeit mit Werner Herzog in den 70er und 80er Jahren erfüllte sich Klaus Kinski 1987 mit dem Film Kinski Paganini einen langgehegten Traum: Er schrieb das Drehbuch, spielte die Hauptrolle und führte auch Regie. Am 23. November 1991 starb Klaus Kinski in Hollywood, wohin er 1980 übersiedelt war.
Kinski als Faust, Tournee 1962Oft spürt er die Reinkarnation. Kinski hat einen sicheren Instinkt, der ihm die Kraft gibt, das zu sein, was er will. Er spielt seine Rollen aus dem Stehgreif. Drehbüchern oder Anweisungen von Regisseuren schenkt er keine Beachtung. Auf Proben pfeift er. "Hin- und Herlatschen, damit die Regisseure auch mal sehen, warum sie keine Fantasie haben, das mache ich nicht." Publizität erhält seine Arbeitsweise besonders im Zusammenhang mit Werner Herzog, mit dem er Aguirre, Nosferatu, Woyzeck, Fitzcarraldo und Cobra Verde (und weitere Bilder) machte. Obgleich Kinski einmal öffentlich zugibt, gut damit beraten zu sein, nur noch mit Herzog zu drehen, empfindet er nichts weiter als Spott und Verachtung für den selbsterklärten Autodidakten. "Herzog ist ein miserabler, gehässiger, missgünstiger, vor Geiz und Geldgier stinkender, bösartiger, sadistischer, verräterischer, erpresserischer, feiger und durch und durch verlogener Mensch." Das Drehbuch zu Aguirre tut er als 'analphabetisch primitiv' ab. Darin sieht er allerdings seine Chance; so ist es nicht weiter verwunderlich, dass er sich von mehr oder weniger talentierten...eindeutlige Ähnlichkeit mit Tochter Pola Schundregisseuren engagieren lässt, die nie ganz klar wissen, was sie eigentlich wollen, aber einen großen Namen zur Präsentation benötigen. Ihm geht es nicht um irgendeinen künstlerischen Anspruch, was immer der auch bedeuten mag. Wichtig ist, wieviel gezahlt und wo gedreht wird. Ein Angebot von Fellini, das mit einer Gage aufwartet, die eine 'Unverfrorenheit' ist, schmettert er mit den Worten "Laß Dich in den Arsch ficken" ab.
Nein, Kinski braucht keinen großen Regisseur; er inszeniert sich selbst, ist primär daran interessiert, den jeweiligen Film so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Wenn er akzeptiert wird, ist er am Set zumeist diszipliniert und sorgt für einen reibungslosen und schnellen Arbeitsgang. So auch bei Jess Francos Jack the Ripper, den er in acht Tagen 'runterkurbelt. Auch mit d'Amato, für den er u.a. La Morte Ha Sorriso All'Assassino (Die Mörderbestien) dreht, kommt es zu keinen Komplikationen. Nur bei Herzog knallt es immer wieder. Kinski in den 70ernDas mag zum Teil an den Rollen gelegen haben: Woyzeck lässt ihn erschaudern, wie bei Villon, Rimbaud, Van Gogh wird er von der frappierenden charakterlichen Ähnlichkeit zu dieser Person erschüttert. Es ist so, als würde Kinski das alles schon einmal erlebt haben. "Das Schlimmste, das ich je beim Film durchmachen musste. Ich habe bereits gesagt, dass die Geschichte von Woyzeck Selbstmord ist. Selbstzerfleischung. Jeder Drehtag, jede Szene, jede Einstellung, jedes Photogramm ist Selbstmord." Nach nur 16 Drehtagen ist der Film komplett abgedreht. Es ist der mit Abstand beeindruckendste Kinski-Film, dessen Intensität nie mehr erreicht wurde. (Anmerkung: Obwohl ich längst nicht alle Filme mit Kinski gesehen habe und auch nicht unbedingt DER Fan bin, kann ich das durchaus bestätigen. Allein die Anfangsszene, in der er sich immer wieder niedertreten lassen muss und immer wieder aufsteht, jagt mir eine Gänsehaut über den Rücken, R.K.). Die Metamorphose ist hier vollkommen. Kinski ist Woyzeck. "Den Höhepunkt der Schauspielkunst sehen viele darin, in die Haut eines anderen zu schlüpfen, um sich der darzustellenden PersonKlaus Kinski anzupassen ... Natürlich ist das Äußere ein Detail zur Vervollkommnung der Inkarnation, aber es ist nicht gesagt welches Äußere, und ist eben nur ein Detail, untergeordnet und von unterschiedlicher Bedeutung..." Er gibt immer 'alles', lässt sich von gerissenen Produzenten 'benutzen', wobei er diesem Begriff die richtige Bedeutung zugesteht, denn er selbst sieht sich als teure Dirne und findet den Großteil seiner Filme 'zum Kotzen'. Trotzdem zählt für ihn immer noch die Prämisse, 'Qualität zu liefern, wenn man dafür bezahlt wird'.
Obwohl für Herzog bei Cobra Verde das 'Fass voll' ist, er in Kinskis Auftrag seinen Stammkameramann Thomas Mauch ("Dieser Mauch hatte nicht eine einzige Aufnahme im Kasten, die nicht auf den Misthaufen gehörte.") feuern muss, die Dreharbeiten immer wieder unterbrochen werden, weil Herzog zum Beispiel eine Szene in Kinskis Abwesenheit drehen ließ, ist das ganze nur vom Drang gesteuert, den Film vor der Unfähigkeit seines Regisseurs zu retten: In die Endszene, die zeigt, wie er zum Scheitern verurteilt ein riesiges Boot ins Meer zieht, steigert sich Kinski dermaßen rein, dass er beinahe ertrunken wäre.
Der Climax seines Schaffens folgt 1987, als er endlich die Möglichkeit hat, seinen eigenen Film zu machen. Das Projekt, einen Film um den berühmten Teufelsgeiger Paganini, geisterte schon lange in seinem Kopf herum. Bereits Ende der 60er Jahre hatte er fast die Finanzierung zusammen; damals wäre Horst Wendlandt mit einem Drittel beteiligt gewesen. Jetzt ist das Werk vollends in italienischer Hand. Die Mikro-Mafiosi Augusto Caminito und Alberto Alfieri produzieren Paganini. Mit den beiden macht Kinski nicht gerade seinen besten Fang: "Caminito küsste mich von jetzt ab immer auf den Mund. Es war ein Nutten- und Zuhälterkuss in einem. Alfieri tätschelte meinen Popo. Er ist nicht etwa schwul. Er denkt nur, er sei der Weihnachtsmann, der etwas beschert hat." Vorerst muss Kinski allerdings für die beiden 'anschaffen' gehen. Nosferatu in Venedig heißt die filmische Ausgeburt, die dabei entsteht. Schon hier machen sich erste Anzeichen der etwas schlampigen Arbeitsmethodik des Produzentengespanns bemerkbar. Aber Kinski ist von Paganini-besessen und nimmt alles in Kauf. Die Dreharbeiten von Nosferatu... haben ein Positives: den künftigen Paganini-KameramFoto aus: Für ein paar Dollar mehr, 1965, Regie: Sergio Leoneann Pier-Luigi Santi. Schon im Vorfeld scheidet Nastassja aus vertraglichen Gründen für die weibliche Hauptrolle aus. Nanhoi (im Titel als Niccolai) spielt Paganinis Sohn. Kinski selbst hat das Drehbuch geschrieben, führt Regie und spielt die Hauptrolle, für die er sich sogar alle Zähne ziehen lassen möchte (sein Zahnarzt rät ihm aber doch noch davon ab). Als der Film nach nur 46 Tagen abgedreht ist, steht Kinski mit dem Gauner-Duo Caminito und Alfieri, die sich selbst gegenseitig bescheißen, auf Kriegsfuß. Den vereinbarten Film nach Paganini, der in Afrika und Alaska spielen sollte, bricht er ab. Die Streitereien gehen soweit, dass man Paganini, nachdem er geschnitten und vertont ist, die Verbreitung in Form eines Verleihs verbaut und Kinski um eine Kopie seines Films regelrecht kämpfen muss. Der Film wird als 'unspielbar' deklariert und verschwindet in der Versenkung.
Am 23. November 1991 wird Klaus Kinski tot in seinem Haus in Kalifornien aufgefunden. Die Todesursache Herzversagen ist selbst für die Boulevard-Presse zu unspektakulär, um daraus einen großen Aufreißer zu machen. Sein Tod ist schnell abgetan, die üblichen Nachrufe sind schon nach wenigen Tagen durchgestanden. Er muss eben schnell aus den Köpfen der Leute verschwinden, bloß keinen Stolz auf den 'rüpelhaften' Deutschen (was mir aber in gewisser Form tausendmal lieber ist, als die herausgequälten Tränen um die 'große' Marlene D.).
Kinski hatte bei der Mehrheit schon zu Lebzeiten verspielt, da hilft auch keine große Trauer mehr. Er hat sie auch nicht nötig; etwas mehr Akzeptanz wäre ihm gerecht gewesen. Leider ist er an der Dummheit der Menschen gescheitert, die sich halbtot lachten, wenn er wie besessen seine Ideale von Ehrlichkeit und Freiheit lehrte oder notfalls auch einprügelte. Auch wenn ihm das Leben nur erschwert wurde, widersetze er sich bei jeder Gelegenheit den Mechanismen der 'korrupten' Gesellschaft. Seine Verhaltensweisen, insbesondere den Gebrauch der Sprache, stellte er absolut überzeugend dar: "Es kommt gar nicht darauf an, was jemand über Dich sagt. Das ist doch völlig unwichtig ... Sagen bedeutet doch nichts. Wenn ein Mensch, der Dir alles bedeutet, etwas über Dich sagt, was Dich verletzt, dann ist es 'was anderes. Dann ist es aber auch das Wort nicht so sehr, sondern das Missverständnis."Schlagzeilen
Seine Philosophie (nicht zuletzt durch die vielen 'Inkarnationen' geprägt) ist in ihrem Ziel erstrebenswert: "... Die Leute würden sich vielleicht nicht andauernd totschlagen auf der Welt, würden sich vielleicht ein bisschen mehr respektieren und mehr Achtung voreinander haben. Ich gehe ja niemandem auf die Nerven. Ich laufe den Leuten nicht hinterher, ich stelle ihnen keinen Fuß. Ich sag' nicht: Warum wollen Sie nicht mit mir zusammensein? Warum wollen Sie meine Gesellschaft nicht? Warum wollen Sie nicht alles mit mir teilen ... Was ist denn das für ein Unsinn? ..."
Sein Wesen ist unsterblich... Irgendwann kommt Kinski wieder...
Thomas Schweer
(mit freundlicher Genehmigung von "Splatting Image - Das Magazin für den unterschlagenen Film - bitte Button anklicken) (www.deutsches-filmhaus.de)
Filmographie (Auswahl)
* 1948: Morituri
* 1959: Das Kalte Herz
* 1951: Entscheidung im Morgengrauen
* 1954: Angst
* 1955: Kinder, Mütter und ein General
* 1955: Ludwig II - Glanz und Elend eines Königs
* 1958: Zeit zu leben und Zeit zu sterben
* 1960: Der Rächer
* 1961: Die toten Augen von London
* 1961: Das Geheimnis der gelben Narzissen
* 1962: Der rote Rausch
* 1962: Das Rätsel der roten Orchidee
* 1962: Die Tür mit den sieben Schlössern
* 1962: Verrat auf Befehl
* 1963: Die schwarze Kobra
* 1963: Piccadilly null Uhr zwölf
* 1963: Der letzte Ritt nach Santa Cruz
* 1963: Scotland Yard jagt Dr. Mabuse
* 1964: Winnetou 2
* 1964: Wartezimmer zum Jenseits
* 1964: Das Geheimnis der chinesischen Nelke
* 1965: Doktor Schiwago
* 1965: Neues vom Hexer
* 1965: Spione unter sich
* 1965: Unser Mann aus Istanbul
* 1965: Für ein paar Dollar mehr
* 1966: Das Gold von Sam Cooper
* 1966: Das Geheimnis der gelben Mönche
* 1966: Gern hab ich die Frauen gekillt
* 1966: Marrakesch
* 1967: Mit Django kam der Tod
* 1967: Mister Zehn Prozent - Miezen und Moneten
* 1967: Die Pagode zum fünften Schrecken
* 1967: Der Teufelsgarten
* 1967: Töte Amigo
* 1967: Die blaue Hand
* 1968: Sartana - Bete um deinen Tod
* 1968: Leichen pflastern seine Weg
* 1968: Todeskommando Panthersprung
* 1968: Der Bastard
* 1969: Sartana - Töten war sein täglich Brot
* 1969: Der Mann mit der Torpedohaut
* 1969: Quintero - Das As der Unterwelt
* 1969: Satan der Rache
* 1969: Das Gesicht im Dunkeln
* 1970: Adios Companeros
* 1970: Dracula im Schloß des Schreckens
* 1970: Mir hat es Spaß gemacht
* 1970: Churchills Leoparden
* 1970: Nachts, wenn Dracula erwacht
* 1970: Spezialkommando Wildgänse
* 1971: Sarg der blutigen Stiefel
* 1971: Drei Amen für den Satan
* 1972: Ein Einsamer kehrt zurück
* 1972: Die Mörderbestien
* 1972: Der Mann mit der Kugelpeitsche
* 1972-12-29: Aguirre, der Zorn Gottes
* 1973: Die gnadenlose Hand des Gesetzes
* 1974: Zwei durch dick und dünn
* 1975: Nobody ist der Größte
* 1975: Das Netz
* 1976: Der Dirnenmörder von London / Jack The Ripper
* 1977: Der Fall Serrano
* 1977: Operation Thunderbolt
* 1977: Madame Claude und ihre Gazellen - Regie: Just Jaeckin
* 1978: Roland - Die Horden des eisernen Ritters
* 1979: Killer-Truck
* 1979-04-12: Nosferatu - Phantom der Nacht
* 1979: Woyzeck
* 1980: Schizoid
* 1982: Die Last der Träume
* 1982: Die schwarze Mamba
* 1982: Fitzcarraldo
* 1982: Der Söldner
* 1985: Star Knight - Herr der Sterne
* 1986: Nosferatu in Venedig (Regie) (ungenannt)
* 1986: Killerhaus - Horror der grausamsten Art
* 1988: Cobra Verde
* 1989: Kinski Paganini
* 1999-10-07: Mein geliebter Feind
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Ein sehr guter deutscher, leider bereits verstorbener Kultschauspieler, den ich eigentlich nur aus mehreren Italowestern, wie z.B. "Für eine Handvoll Dollar", "Leichen pflastern seinen Weg", "Adios Companeros", "Ein Einsamer kehrt zurück" und "Sartana - Töten war sein täglich Brot" kenne.