Junimond
Verfasst: Sa 9. Okt 2021, 21:47
D, 2002
Regie: Hanno Hackfort
Darsteller: Oliver Mommsen, Laura Tonke, Stephan Kampwirth, Teresa Harder, Julia Kippes, Rainer Sellien, Daniel Schmidt, Arianne Senn, Willy Hagemeyer
"Die beiden Einzelgänger Paul und Nele treffen in Paderborn aufeinander. Paul will seine schrecklichen Erlebnisse als KFOR-Soldat im Kosovo vergessen und Nele hat Probleme mit ihren Eltern, deren Ehe nach dem Auszug der Kinder zu zerbrechen droht.
Beide sind fest davon überzeugt, nur Freunde sein zu wollen, doch trotzdem kommen sie sich langsam näher und die Liebesgeschichte könnte perfekt werden. Doch die beiden einsamen Seelen pflegen eine nur platonische Nähe und sind damit nur scheinbar zufrieden. Dann geht Paul zu einer eigentlich harmlosen Untersuchung zum Arzt, weil er sich müde fühlt. Kurz darauf wird klar, dass er Blutkrebs im fortgeschrittenen Stadium hat – es besteht keine Heilungschance mehr. Zwar finden beide in dieser schweren Stunde zueinander und gestehen sich ihre Zuneigung, doch bleibt beiden nur noch wenig Zeit miteinander: Paul wird im Krankenhaus jeden Tag schwächer und der Tod scheint immer näher zu rücken. Da entschließt sich Nele, ihm (gerade noch rechtzeitig) einen lang ersehnten Wunsch zu erfüllen – mit einem alten Citroën DS durch die Vogesen in Frankreich in den Sonnenaufgang zu fahren." (www.wikipedia.de)
Oh, wie ich solche Filme in den letzten Jahren vermisst habe.
Mit Digitalkamera gefilmte, authentische Darsteller, die in einer wunderbar unspektakulären Geschichte agieren und mit viel Liebe zum Detail unaufgeregte Alltagssituationen mitten aus dem Leben illustrieren.
Oder mit den Worten eines Hassers solcher Filme ausgedrückt:
Schon wieder so ein typischer, deutscher Kunstfuzzimüll mit verwackelter Handkamera, untalentierten Darstellern und einer Handlung, die extra auf langweilig getrimmt wurde und den sich kein normaler Mensch jemals ansehen würde.
Tja, egal ob man nun ein Liebhaber oder Hasser solcher Filme ist, kommt man nicht umher zu bemerken, dass es diese Art von Filmen - wie bereits erwähnt - in den letzten Jahren in Deutschland einfach nicht mehr gab.
Im Gegensatz zum Beginn der 2000er Jahre, wo diese Filme doch deutlich häufiger vorkamen.
Bei Anschauen habe ich mich wirklich in diese Zeit zurückversetzt gefühlt und war tatsächlich ein wenig nostalgisch.
Und ich meine es auch tatsächlich ernst damit, dass ich diese Art von Filmen vermisst habe.
Ich fand es immer klasse, wenn Filme absolut auf das Wesentliche runtergebrochen wurden und eine so minimalistische Geschichte mit so minimalistischen Mitteln erzählt wurde, dass man das Gefühl hatte, es müsse sich dabei um einen Studentenfilm handeln.
Irgendwie wirkten diese Filme (natürlich nur wenn sie gut und interessant gemacht waren) immer unglaublich frisch auf mich.
Und an diesen hatte ich oft mehr Freude, als an diesen glattgeleckten Standardstreifen.
Deswegen finde ich es auch so schade, dass solche Sachen in der heutigen Zeit eigentlich gar nicht mehr produziert werden.
Die Handlung ist tatsächlich absolut nicht neu. Aber man wird einfach sofort gefangen genommen von diesen zwei Hauptcharakteren, die Oliver Mommsen und Laura Tonke so unfassbar toll spielen, dass sie ganz schnell zu dreidimensionalen Figuren geformt werden.
Dieses andauernde Tänzeln auf der Grenze zwischen enger Freundschaft und anfänglicher Liebelei haben die beiden so famos verkörpert, dass es eine wahre Freude war, ihnen dabei zuzusehen.
Was mich aber wirklich beeindruckt hat, waren zum einen die vielen, inneren Monologe, die das Seelenleben der Protagonisten nochmal ganz ausgezeichnet dargestellt haben.
Und zum anderen waren das visuell-erzählerische Elemente, die mich zum Teil - und das meine ich jetzt wirklich(!) ernst - an "American Beauty" erinnert haben.
Ich meine diese Szenen, in denen die Einstellungen doppelt und dreifach wiederholt werden, damit man als Zuschauer kapiert, dass das jetzt gerade Fantasie oder Tagtraum ist.
Und so in der Art war es hier auch. Hier wurden oft nach der eigentlichen Handlungssequenz, Zwischensequenzen gezeigt, in denen zu sehen war, was die Figur jetzt eigentlich gerne gesagt oder getan hätte, sich aber nicht getraut hat, bevor dann nochmal die Handlungssequenz wiederholt wurde, wie sie wirklich war, damit man nicht den Faden verliert.
Das fand ich total cool und hätte mit so einem Gimmick in so einem "einfachen" Werk gar nicht gerechnet.
Am Ende bleibt ein Film, der zwar aussieht wie einer dieser typischen, langweiligen Laberfilme, wo überhaupt nichts passiert, man aber, wenn man genau hinsieht und aufpasst, viele tolle Ideen, Momente, Dialoge und inszenatorische Kniffe entdecken wird und wo - wenn man sich darauf einlassen kann - genug und sogar deutlich mehr passiert, als in manchem stumpfen Hollywood-Hochglanzlangweiler.