Persischstunden

Persian Lessons

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Detlef P.
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Persischstunden

Beitrag von Detlef P. »

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RUS/D/BLR, 2020
Regie: Vadim Perelman
Darsteller: Nahuel Pérez Biscayart, Lars Eidiger, Jonas Nay, Leonie Benesch, Luisa-Céline Gaffron, David Schütter, Alexander Beyer, Andreas Hofer, Giuseppe Schillaci, Antonin Chalon

"Im besetzten Frankreich des Jahres 1942 wird der Jude Gilles (Nahuel Pérez Biscayart) von den Schergen des Regimes aufgegriffen und in ein Lager nach Deutschland geschickt. Dort entkommt er nur durch einen Zufall und eine vorherige Begegnung der sofortigen Erschießung, indem er behauptet, nicht Jude sondern Perser zu sein. Denn was er nicht weiß, sehr wohl aber die SS-Männer, die die Pistole schon an seinem Kopf haben: Einer ihrer Vorgesetzten, der SS-Hauptsturmführer Klaus Koch, hatte angeordnet, zügig einen Perser aufzutreiben, der ihm Farsi beibringen soll.

Zwar ist Gilles, der sich fortan nur noch Reza nennt, im Besitz eines Buches in dieser Sprache, doch natürlich kann er weder Farsi sprechen noch schreiben und kennt keine einzige Vokabel. Weil genau dies aber seine einzige Chance ist, dem sicheren Tod zu entkommen, erfindet Gilles / Reza kurzerhand eine Fantasiesprache, von der er behauptet, es sei Farsi. Und obwohl er immer wieder erheblichem Misstrauen begegnet und den Verdacht auf sich zieht, ein Betrüger zu sein, gelingt der Coup anfangs. Doch je mehr Wörter er erfindet, desto mehr droht er in seinem eigenen Lügengespinst den Überblick zu verlieren. Und jeder Fehler kann tödlich sein." (www.kino-zeit.de)

Ein unglaublicher Film - und das sogar in mehrerer Hinsicht.
Zum einen ist die Geschichte der absolute Wahnsinn. Besonders, wenn man bedenkt, dass diese sogar auf wahren Begebenheiten beruht.
Zum anderen ist es kaum zu fassen, wie unheimlich gelungen dieser Film doch ist.

Ich weiß, was jetzt viele denken mögen: "Jaja, noch ein Holocaust-Drama".
Das ist zwar irgendwo richtig! Und irgendwo auch wieder nicht.
Denn das hier ist nicht das typische Holocaust-Drama, wie wir es sonst so kennen.
Und ich vermute, dass das daran liegt, dass der Film lediglich mit deutscher Co-Produktion gedreht wurde, die Kreativen hierbei aber nicht aus Deutschland kommen.
Denn wer kennt sie nicht, die deutschen Filme über dieses Thema.
Sehen optisch immer völlig deprimierend aus und sind inhaltlich umso deprimierender.
Und genau das ist hier nicht der Fall.

Die Kamerabilder sehen unfassbar elegant aus. Und das obwohl das Leid der Gefangenen zu keiner Zeit beschönigt wird.
Die Geschichte ist spannend erzählt. Fast wie ein Thriller, bei dem man mitfiebert. Es gab sogar zwei oder drei Stellen mit leichtem Humor, bei denen ich lachen musste.
Und ja, ich rede immer noch von diesem Film, der in einem Konzentrationslager spielt.
Tja, und DAS wäre in Deutschland niemals möglich gewesen.
Überhaupt fand ich es wahnsinnig schön, dass der Film an vielen Stellen ein wirklich "positives" Gefühl vermittelt.
Denn es ist ein Film über den absoluten Willen zu überleben, aber zugleich auch ein Film über Menschlichkeit und Mitgefühl.
Ich weiß, dass das total irre klingt, aber es ist wirklich so.

Und die Schlussszene, wow! Ich habe lange nicht mehr eine so kraftvolle Schlussszene gesehen, von der ich emotional so unfassbar ergriffen war, wie hier.
Ich möchte diesen Moment auf gar keinen Fall spoilern, aber bei besagter Szene hatte ich wirklich einen Kloß im Hals.
Ein unglaublich bewegender Moment, der mich absolut begeistert hat und ein so klares Statement gegen das Vergessen gewesen ist, wie ich es lange nicht erlebt habe.

Zum Ende hin möchte ich noch, nach alledem was an dem Film nicht aus Deutschland kommt, auf die Elemente zu sprechen kommen, die dann doch größtenteils aus Deutschland stammen.
Nämlich die Schauspieler!
Und diese geben wahre Glanzleistungen ab.

Angefangen bei Lars Eidinger, der ja sowieso eine Art Geheimwaffe ist.
Unglaublich, was der Mann so leistet.
Hier spielt er den Hauptsturmführer so differenziert und vor allem nuanciert, dass man nur atemlos dabei zusehen kann.
Einfach sagenhaft!
Aber auch eine Leonie Benesch hat hier auch endlich mal eine Rolle, in der sie zeigen kann, was in ihr steckt. Und ebenso Jonas Nay.
Ihre Geschichten sind eh so großartig und elegant mit dem Hauptplot verwoben, dass man es kaum glauben möchte.
Auch die anderen machen ausnahmslos alle einen wirklich guten Job.
Zu guter letzt sei aber auch der Hauptdarsteller Nahuel Pérez Biscayart genannt, der seine Figur zwischen Verletztlichkeit und Angst einerseits, aber Intelligenz und Mitgefühl andererseits perfekt angelegt hat.

Ich finde es immer wieder klasse, wenn man von einem "Genre" plötzlich überrascht wird.
Und hier wurde ich so sehr überrascht, wie schon lange nicht mehr, ohne dass das Schicksal der Leidtragenden dabei verraten worden wäre.
Ein eindrucksvolles Meisterstück par excellence und ein unglaubliches Erlebnis.


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Damien3
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Re: Persischstunden

Beitrag von Damien3 »

O K noch nie gehört!!!!
Das mus sich mir reinziehen.
Eidinger ist ein Gott ;-)) Ich liebe ihn!


"Ich habe sie den ganzen Abend von dahinten beobachtet...sie sind ein sehr attrativer Mann"
"Warum gehen sie nicht in die Ecke zurück und schauen weiter?"
Kevin Costner..coole Sau.
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