Francois Ozon

Die größten Meister, die größten Nieten, ihre Filme, ihre Leben.

Moderator: Detlef P.

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Detlef P.
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Francois Ozon

Beitrag von Detlef P. »

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"Nach mehreren Kurzfilmen verhalf ihm sein knapp einstündiger Film Blicke aufs Meer 1997 zu größerer Aufmerksamkeit. Ein Jahr später drehte er mit der Farce Sitcom seinen ersten Langfilm.

Seine bisherigen Filme fallen vor allem in zwei Kategorien: schrille Farcen, die an einen frühen Pedro Almodóvar erinnern und, völlig gegensätzlich hierzu, sorgfältige Charakterstudien, denen Ozon's Vorliebe für das Werk Rainer Werner Fassbinders anzusehen ist und in denen es Ozon gelingt, eine sehr dichte Atmosphäre und hohe Anspannung zu vermitteln.

In die erste Kategorie fällt neben Sitcom vor allem Ozons bisher bekanntester Film 8 Frauen, eine schrille Krimikomödie, in der alle 8 Darstellerinnen (darunter Catherine Deneuve, Isabelle Huppert, Emmanuelle Béart, Danielle Darrieux und Fanny Ardant) eine Musicalnummer singen und tanzen.

Der zweiten Sorte zugehörig sind neben Blicke aufs Meer (ein abgründiges Zweipersonenstück mit schockierendem Schluss) vor allem Tropfen auf heiße Steine, eine Adaption des gleichnamigen Theaterstücks seines Idols Fassbinder, Unter dem Sand mit Charlotte Rampling als Frau, die den Tod ihres Mannes nicht überwinden kann, und Swimming Pool, ebenfalls mit Charlotte Rampling, als Schriftstellerin, die an einer Schreibblockade landet und plötzlich mit der Tochter ihres Verlegers (Ludivine Sagnier, die für Ozon auch in Tropfen auf heiße Steine und 8 Frauen eine Hauptrolle übernahm) konfrontiert ist.

Vielen von Ozons Filmen gemein ist zum einen ein sehr direkter und offener Umgang mit der Sexualität seiner Figuren (insbesondere Ein kriminelles Paar, Tropfen auf heiße Steine und Swimming Pool), die Beschränkung auf eine sehr kleine Anzahl von Figuren (insbesondere Blicke aufs Meer mit zwei, Tropfen auf heiße Steine mit vier und 8 Frauen mit acht Charakteren insgesamt, aber auch Swimming Pool, in dem neben den beiden Hauptfiguren alle anderen Charaktere nur am Rande interessieren) und die Spezialisierung auf weibliche Figuren (insbesondere Blicke aufs Meer, Unter dem Sand, 8 Frauen und Swimming Pool)." (www.wikipedia.de)

Filmographie:

Blicke aufs Meer (1997)
Sitcom (1998)
Ein kriminelles Paar (1999)
Tropfen auf heiße Steine (2000)
Unter dem Sand (2000)
8 Frauen (2002)
Swimming Pool (2003)
5x2 (2004)
Die Zeit, die bleibt (2005)
Angel - Ein Leben wie im Traum (2007)
Ricky (2009)
Rückkehr ans Meer (2009)
Das Schmuckstück (2010)

Mittlerweile einer meiner Lieblingsregisseure.
Als ich damals sein Spielfilmdebüt "Sitcom" sah war ich so beeindruckt, dass ich mir den Namen des Regisseurs merkte, und es hat sich gelohnt.
Durch ihn sah ich wunderbares französisches Kino in Reinkultur und entdeckte nebenbei auch noch die hervorragende Ludivine Sagnier.
Lediglich sein letzter Film "5x2" traf nicht so ins Schwarze.
Zuletzt geändert von Anonymous am Mi 12. Dez 2007, 10:47, insgesamt 3-mal geändert.


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Murillo
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Beitrag von Murillo »

In der Tat ein sehr vielversprechender Regisseur. Man darf gespannt sein, was in der Zukunft noch alles von ihm komen wird. Besonders beeindruckt haben mich seine Filme "Tropfen auf heiße Steine" und "Swimming Pool".
Allerdings halte ich auch "5x2" für sehr gelungen.


"Wenn etwas klappt, ist es meistens nur Glück. Deshalb sollte man nie zuviel Ahnung von einer Sache haben" (alte japanische Programmiererweisheit)

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"Nachdem mir bereits "Network" sehr gut gefallen hat, gewinne ich langsam wirklich Respekt vor Sidney Lumet."
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Detlef P.
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Beitrag von Detlef P. »

Seit wann hälst du denn "5x2" für gelungen?
Zuletzt geändert von Anonymous am Mo 8. Aug 2005, 14:26, insgesamt 1-mal geändert.


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Beitrag von Murillo »

"gelungen" ist ein dehnbarer Begriff, ich zählte den Film immerhin zu den 10 besten Kinofilmen des letzten Jahres.
Ein klarer Abstieg nach "Swimming Pool", keine Frage, aber dennoch sehenswert.


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Beitrag von Detlef P. »

Du hast letztes Jahr auch nur halb soviele Filme wie ich im Kino gesehen :mrgreen:
Der Film ist auf jeden Fall ansehbar, aber mit seinen anderen Filmen nicht zu vergleichen.


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Beitrag von Murillo »

Hier ein nettes Interview aus der Zeit:
Die ZEIT hat geschrieben: "Komödien drehen? Nicht lustig!"

Der französische Regisseur François Ozon spricht im Interview über Politik, Feminismus, Theater und seine "Das Schmuckstück"-Hauptdarstellerin Catherine Deneuve.

Frage: Herr Ozon, in Ihrem Film Das Schmuckstück spielt Catherine Deneuve die Fabrikantengattin Suzanne Pujol, die in die Politik geht. Ein bisschen denkt man da an Marine Le Pen, die gerade in Frankreich groß rauskommt. Die ist viel geschickter als ihr Vater, der rechtsextreme Jean Marie Le Pen.

François Ozon: Ich kenne Marine Le Pen nicht, ich habe auch keinerlei Lust, sie kennenzulernen. Sie will zwar weg von den antisemitischen Provokationen ihres Vaters, aber worauf sie hinauswill, das weiß man noch nicht so genau. Außer, dass sie regieren will. Ganz anders als ihr Vater, der schwer durcheinander war, als er es mal in die Stichwahl der Präsidentschaftswahlen schaffte. Der wollte nerven und alle Leute beleidigen – aber Präsident werden? Das nicht.

Frage: In Deutschland haben wir mit Angela Merkel seit bald sechs Jahren eine Kanzlerin. Stellen Frauen sich im Umgang mit der Macht intelligenter an als Männer?

Ozon: Komisch, alle Leute wollen mit mir über Politik reden! Das Schmuckstück ist eine Komödie, und in dem Theaterstück von Pierre Barillet und Jean Pierre Gredy, auf dem mein Film basiert, war von Politik nicht mal die Rede. Das Element habe ich hinzugefügt, um den Film moderner zu machen und dem Charakter der Hauptfigur mehr Tiefe zu geben. Suzanne Pujol findet ja Geschmack an der Macht, ohne zu ahnen, dass sie den Job vielleicht besser macht als ihr Mann. Beim Drehbuchschreiben habe ich sogar einmal gedacht: Müsste sie nicht sogar Kommunistin werden wie ihr Geliebter, der Bürgermeister Babin? Aber nein, sie ist und bleibt konservativ. Sie kommt aus der Unternehmertradition der patrons, die gibt es so in Frankreich heute gar nicht mehr.

Frage: Haben Sie Catherine Deneuve bremsen müssen, weil die Rolle im Verlauf der Handlung immer näher an den Star heranrückt, der sie auch im Leben ist?

Ozon: Catherine hat die Rolle sehr genossen. Im Leben ist sie alles andere als ein bloßes Schmückstück, sondern eine starke, moderne Frau. Sie hat nichteheliche Kinder, sie hat sich gegen das Abtreibungsverbot und gegen die Todesstrafe engagiert. Sie hat die Rolle wie eine schöne Provokation verstanden. Wie Rocky, sagte sie mir, wie so eine amerikanische success story, raus aus der Demütigung und hin zur Rache und zum Sieg. Ich fand es reizvoll, den Film in vollendeter Künstlichkeit à la Disney beginnen zu lassen, und dann endet er fast wie eine Dokumentation, eine Fernsehreportage. Und am Schluss, in der Menge, sahen die Statisten in ihr tatsächlich nur Catherine Deneuve, nicht Suzanne Pujol.

Frage: Die Aufstiegsgeschichte der Suzanne Pujol könnte man auch wie ein Märchen lesen, wie Aschenputtel.

Ozon: Nein, Das Schmuckstück ist ein feministischer Film. Es geht um Emanzipation, darum, wie eine Frau ihren Platz findet – und Gefallen daran, den auch zu verteidigen. Vielleicht sollte ich Das Schmuckstück 2 drehen und gucken, was wird aus dieser Politikerin? Na, darüber mag der Zuschauer selber spekulieren. In den meisten Filmen erzähle ich ja ohnehin immer dieselbe Geschichte: Wie jemand sich aus einer gegebenen Situation heraus verändert und entwickelt, und wie sich dadurch auch unser Zuschauerblick auf die Figur verändert.

Frage: Das Schmuckstück 2? Bei Ihrem Genre-Eklektizismus müssen wir uns da gewiss keine Sorgen machen. Andererseits: Nach ein paar Filmen kehren Sie immer zur Komödie zurück. Machen Sie sich damit locker für die nächsten schweren Brocken?

Ozon: Eine Komödie zu drehen, das ist nicht lustig, das ist viel Arbeit. Bei einem Drama lassen es die Leute gelten, wenn es auch mal langatmig zugeht, es ist ja schließlich ernsthaft. Eine Komödie aber muss Tempo haben und Witz, die Schauspieler müssen klasse sein, die ganze Sache muss rund laufen. Sonst wird es eine schlechte Komödie, und nichts ist schrecklicher als das. Das Schmuckstück wollte ich wie eine Komödie im Billy-Wilder-Stil: sehr lustig, aber auch intelligent, mit einem substanziellen Hintergrund und vor allem vieldeutig.

Frage: Nach Tropfen auf heiße Steine und Acht Frauen ist Das Schmuckstück Ihre dritte Theaterverfilmung. Wie umgehen Sie die Falle des Theatralischen?

Ozon: Ganz einfach: Indem ich ihr gar nicht ausweiche. Ich liebe das Theatralische, das Szenische, die Künstlichkeit, den falschen Dekor. Bei meinen früheren Theaterverfilmungen ging es zudem ums Eingeschlossensein, und die räumliche Begrenztheit gehört ohnehin zum Theater. Auch die Stückvorlage zum Schmuckstück spielt komplett in dem großbürgerlichen Fabrikantenhaus, so ist das nun mal im Boulevardtheater. Ich aber wollte Suzanne mit der realen Welt konfrontieren, und so bekommt der Film, als sie das Ambiente der frühen Szenen verlässt und raus geht in die Welt, etwas von realistischem Kino.

Frage: Noch einmal zum Feminismus. Wenn man an Unter dem Sand, Swimming Pool oder zuletzt Rückkehr ans Meer denkt, mit all den starken Frauenrollen: Sehen Sie sich als feministischer Regisseur?

Ozon: Das ist unglaublich! Ja, die weiblichen Filmfiguren interessieren mich am meisten, na und? Wissen Sie, was mich wundert? Nie sagt mal jemand zu einem Regisseur "Oh, noch ein Film über einen Mann!" Dabei sind die Frauen doch die Hälfte der Menschheit! Nein, ich mag einfach Figuren, die eher gesellschaftliche Opferrollen haben und die kämpfen müssen, um da herauszukommen. Männer haben ja meist alles, zumindest am Anfang. Männer im Kino: Das ist doch meist physisch, Action.

Frage: Nun, zuletzt war das Weltkino voll von Filmen, die Männer in der Krise zeigen.

Ozon: Kein Wunder, dass die Männer in der Krise sind, wenn die Frauen die Macht übernehmen! Tausende von Jahren haben die Männer regiert, jetzt gleicht sich da was aus. Das ist ganz normal.

Das Gespräch führte Jan Schulz-Ojala.
Aus dem Tagesspiegel.


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Beitrag von Detlef P. »

Der Typ ist immer noch einer der besten noch lebenden Filmemacher überhaupt.
Ich habe leider, leider "Rückkehr ans Meer" nicht gesehen, was mich tierisch ärgert.
Ein saugeiles Interview, das fast ein bisschen an dieses geile Lars von Trier-Interview erinnert was wir hier vor ein paar Jahren mal hatten.
Ich wollte den Film ohnehin sehen, und jetzt umso mehr.


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