(http://www.sueddeutsche.de/kultur/278/505469/text/)Die "Bad Boys" von Hollywood: Bernard-Henri Lévy verdammt Tarantinos Inglourious Basterds, Scorseses Shutter Island und den neuen Umgang des Kinos mit Hitler.
Er ist nicht immer der schnellste mit seinen Wortmeldungen, aber wenn er sich mal aufrafft, dann ist er schnell mit entsprechenden Schlüssen und Kurzschlüssen dabei. In einem neuen Eintrag auf seiner Webseite "La règle du jeu" nimmt sich Bernard-Henri Lévy den neuen Umgang des amerikanischen Kinos mit Hitler und den Nazis vor, exemplifiziert an zwei Meistern, Tarantino und Scorsese, die bei aller Meisterschaft einen fahrlässigen Umgang mit der Geschichte des Dritten Reichs pflegten.
Man erinnert sich, es geht um die seit der Premiere von "Inglourious Basterds" in Cannes immer wieder diskutierte Frage, ob man Hitler, wider alle historische Faktizität, in einem spektakulären Showdown in einem Pariser Kino sterben lassen darf, "an einer Überdosis von Film" gewissermaßen.
Und es geht um die Frage, ob Scorsese in seinem "Shutter Island" Szenen vom KZ Dachau wachsfigurenkabinetthaft mit den Visionen des verstörten Leonardo DiCaprio und der amerikanischen Fünfziger überblenden darf.
Lévy rekapituliert die bekannten Stationen der Diskussion um die - ästhetische - Darstellbarkeit der Lager, Rivettes Kritik an Pontecorvos "Kapo", Lanzmanns Kritik an Spielbergs "Schindlers Liste", und sieht in den neuen Produkten nun einen Revisionismus am Werk.
"Der Nazismus ist dabei, eine Art neue Spielwiese zu werden, wo sich die Bad Boys eines Hollywood vergnügen, deren Moguln, dem Gott in der Philosophie Berkeleys vergleichbar, der jede Minute seine Schöpfung ändert, beschlossen haben, dass es an ihnen ist, zu entscheiden, was jeweils wirklich ist und was nicht ... Die Kunst kommt hier auf ihre Rechnung. Die Erinnerung nicht."
Lévy ist selbst schon mulmig beim Wort Revisionismus, der Wortführer einer Postmoderne steht da schon halb in der Ecke der politischen Korrektheit. Es fehlt nicht mehr viel - vielleicht sollte er sich schleunigst Oskar Roehlers Jud-Süß-Film anschauen, wo aus dem Süß-Darsteller Ferdinand Marian ein melodramatisches Opfer des Naziregimes wird.
Hier wird eine recht interessante Diskussion aufgegriffen.
Inwiefern dürfen Filmmacher dem Wahrheitsgehalt historischer Abläufe in ihre Filmen widerstreben und somit möglicherweise politischen Minderheiten vor den Kopf stoßen?
Diese Debatte wird, auch hierzuladen, immer wieder mal angestoßen. Gerade wenn es um die deutsche Vergangenheit geht, verhalten sich manche Medien und Moralwächter nahezu zensurverliebt.Ich erinnere an die Schlagzeile "Darf man Hitler So >>>

Die hier gestellte Frage, "ob man Hitler in einem Pariser Kino sterben lassen darf" finde ich doch sehr bizarr und pseudo-moralistisch. Warum muss sich immer irgendjemand aufregen, wenn historische Ereignisse oder Personen im Film nicht wahrheitsgetreu wiedergegeben werden? Und warum betrifft das vor allem auf den Holocaust zu?
Wer hier seinen moralischen Zeigefinger erhebt und schreit: "Die Kunst kommt hier auf ihre Rechnung. Die Erinnerung nicht", sollte sich mal ernsthaft fragen, ob Filme wie "Inglorious Bastards" das Geschichtsbild eines Zuschauers nachhaltig zu prägen oder verändern imstande sind.
Manch einer würde sofort erwidern, dass der Film die Erfahrung und das Leid der Opfer und ihrer Hinterbliebenen verharmlost oder ähnlich argumentieren.
Die eigentliche Frage ist doch: wie weit darf 'political incorrectness' im Film gehen? Meine Antwort. Solange keine tatsächliche physische Gewalt im Spiel ist (wie z.B. bei Snuff-Filmen), sollte im Film alles erlaubt sein. Ist dies nicht der Fall, gefährdet man mitunter die künstlerische Freiheit.
Auch wenn man einen Film nicht mag, sollte man den Machern ihre Freiheiten lassen. Wie steht Ihr zu diesem Thema?