
USA, 2010
Regie: Ben Affleck
Darsteller: Ben Affleck, Rebecca Hall, Jeremy Renner, Jon Hamm, Blake Lively, Slaine, Owen Burke, Pete Postlethwaite, Chris Cooper
"Die spektakulärste Szene im Crimethriller "Heat" (1995) von Regisseur Michael Mann zeigt, wie sich Robert De Niro und Val Kilmer nach einem missglückten Bankraub ihren Fluchtweg mit automatischen Waffen freifräsen. Zahllose Streifenwagen haben den sechsspurigen Freeway blockiert, kein Eichhörnchen käme da unbemerkt hindurch. Die beiden Bankräuber aber versprühen mit ihren Maschinenpistolen derart viel Blei, dass sich die Cops nur mit Köpper in den Straßengraben in Sicherheit bringen können. Gegen so viel Feuerkraft sind die Uniformierten machtlos - die Gangster entkommen.
Auf dieses Glück hofften zwei Kleinkriminelle aus Los Angeles 1997 vergebens. Inspiriert von "Heat" (in ihrem Videorekorder fand sich später eine VHS des Films) überfielen sie schwer bewaffnet die Bank of America in Nord Hollywood. Als sie beim Verlassen des Gebäudes von einer Hundertschaft Polizisten empfangen wurden, ging die wüste Ballerei los. Anfangs schien sich das Filmereignis in der Realität zu wiederholen, denn den MGs der Räuber hatte die Ordnungsmacht wenig entgegenzusetzen - zumal sie sich mit umgeschnallten Stahlplatten vor den Polizeikugeln zu schützen wussten. Erst 44 Minuten und knapp 2000 abgefeuerte Patronen später gelang es, die Täter zu überwältigen. Einer schoss sich schwer verletzt selbst in den Kopf, der andere verblutete mit 29 Kugeln im Leib - Bankräuber leben gefährlich.
"Bankraub gibt es häufiger, als wir gemeinhin vermuten", erklärt Ben Affleck, Regisseur und Hauptdarsteller der Räuberballade "The Town", und ergänzt, "nur berichtet die Presse kaum noch darüber, weil es schon fast alltäglich ist." Über 300 Überfälle pro Tag soll es pro Jahr allein im Großraum Boston geben - will man der Aussage des Films und answers.com glauben. Affleck hat seine eigenen Recherchen angestellt: "Die meisten Raubzüge verlaufen glimpflich, da geht es um Beträge von 3000 Dollar. Solche brutalen Angriffe auf Geldtransporte, wie wir sie zeigen, die sind selten und werden nur von Profis ausgeführt."
So einen Berufskriminellen verkörpert Ben Affleck in "The Town" dann auch. Doug MacRay (Affleck) ist der Chef einer vierköpfigen Bande, die darauf spezialisiert ist, Banken und Geldtransporte zu überfallen. Drahtzieher im Hintergrund ist ein irischstämmiger Blumenhändler (Pete Postlethwaite), der die Informationen liefert und dafür einen kräftigen Anteil von der Beute kassiert. Das Quartett lebt in Charlestown, einem Problemviertel von Boston, vermeidet es aber, in unmittelbarer Nachbarschaft beruflich tätig zu werden. Man kennt sich hier.
Doug spielt schon lange mit dem Gedanken, das Schießeisen an den Nagel zu hängen, um sich eine bürgerliche Existenz fernab der Heimat aufzubauen. Der Vater im Knast, die Mutter seit seinen Kindheitstagen verschwunden - was soll ihn halten? Allein die Freundschaft mit seinem hitzköpfigen Waffenbruder Jem (Jeremy Renner) und der gelegentliche Sex mit dessen Schwester Krista (Blake Lively) lassen Doug zögern, seinen Plan in die Tat umzusetzen.
Der nächste Job, eine Bank, steigert Dougs Ehrgeiz noch mehr, seine zweifelhafte Profession aufzugeben. Grund sind die aufkeimenden romantischen Gefühle für die Bankangestellte Claire (Rebecca Hall). Maskiert waren die Gangster in das Gebäude gestürmt und hatten sie gezwungen, den Tresor zu öffnen, und sie kurzzeitig auf ihrer Flucht als Geisel mitgenommen. Das scheue Mädchen berührte Dougs Herz vom ersten Augenblick. Unter dem Vorwand, herausfinden zu wollen, ob Claire ihre Entführer möglichweise identifizieren kann, nähert sich Doug der jungen Frau, horcht sie unauffällig aus und verbringt mehr und mehr Zeit mit ihr. Als Jem mitkriegt, dass sein Partner zarte Bande zu ihrem Opfer schmiedet, findet er das gar nicht komisch - doch Doug will von Bedenken nichts hören, ein erster Riss in der Beziehung zu seinem Freund entsteht.Inzwischen ist die Bostoner Polizei unter Führung des FBI-Ermittlers Adam Frawley (Jon Hamm) auf die Viererbande aufmerksam geworden. Viele Monate tappten die Strafverfolgungsbehörden im Dunkeln, hatten keine Ahnung, wer hinter der Überfallserie stecken könnte, bis Frawley kam. Mit der gleichen Akribie und Intelligenz, mit der Doug seine Raubzüge plant, versucht der FBI-Agent, die Diebe zu fangen - und noch bevor es zur direkten Konfrontation der beiden Kontrahenten kommt, entspinnt sich ein nervenaufreibendes Katz-und-Maus-Spiel, das nur einer gewinnen kann: der Cleverere!
Als Autor hat Ben Affleck sogar schon die Academy of Motion Picture Arts und Science begeistert, als er 1998 den Drehbuch-Oscar (zusammen mit Matt Damon) für "Good Will Hunting" gewann. Für seine erste Regiearbeit, dem leisen, aber berührenden Crimedrama "Gone Baby Gone" (2007), kassierte er auf etlichen Festivals Debütpreise als bester Newcomerregisseur. Mit "The Town" hat er nun ein weiteres Oscar-würdiges Werk abgeliefert. Zugegeben, inhaltlich und formal lehnt sich "The Town" an zwei Gangster-hriller der jüngeren Vergangenheit an. Der Auftritt der maskierten Räuber ähnelt dem aus "Gefährliche Brandung" (1991), und das Grundmotiv cleverer
Cop kontra raffinierter Dieb taucht ähnlich in "Heat" (1995) auf - immerhin bedient sich Affleck damit bei den besten Filmen des Genres, zu denen sein Film nun auch gehört. Affleck hat genau die richtige Mischung aus Action und Drama, aus Thriller und Romanze gefunden, die den Zuschauer gleichzeitig fesselt und mitfühlen lässt. Dazu gesellt sich ein überzeugender Cast, der allerfeinste Schauspielkunst serviert - da steckt jede Szene voller leidenschaftlicher Spielfreude, wie sie in dieser Intensität selten vorkommt. Beispielhaft: Blake Lively. Dass der "Gossip Girl"-Hingucker als Junkienutte überzeugen kann, wäre nicht zu erwarten gewesen. Wer aus Schauspielern solche Leistungen holt, und wer spannende Storys so mitreißend erzählt, der hat eine große Regiekarriere vor sich. Bitte weiter so, Ben Affleck!" (www.cinema.de)
Dies war Ben Afflecks zweiter (Regie-)Streich. Und der dritte folgt (hoffentlich) sogleich.
Tja, es ist doch immer wieder schön zu sehen, wenn sich bestimmte Darsteller endlich verdient einen Namen machen indem sie zeigen, dass sie hinter der Kamera sogar noch besser sind als davor.
Affleck hatte es ja nie so ganz leicht mit der Kritik, obwohl er mir in bestimmten Rollen immer sehr gefallen hat (was wären die Kevin Smith-Filme schon ohne ihn.

Es ist jetzt bereits drei Jahre her, dass Affleck uns mit seinem Regiedebut "Gone Baby Gone" einen faszinierenden, atmosphärisch dichten Thriller mit großartigen Schauspielern geliefert hat womit eigentlich ein paar Jahre vorher noch keiner gerechnet hätte.
Ich war damals bereits gespannt wie es mit ihm weiter gehen würde - und darf jetzt voller Freude verkünden, dass es sich bei ihm definitiv nicht um eine Eintagsfliege handelt.
"The Town" gefiel mir sogar noch besser als sein Erstling. Und ich kann noch nicht mal genau sagen warum. Vielleicht weil die Geschichte noch packender und vielschichtiger ist, die Schauspieler noch genialer und eindringlicher sind und der Film atmosphärisch noch dichter.
Vielleicht waren die verschiedenen Genres im Film auch einfach abwechslungsreicher oder ich habe mich gefreut so viele Weltklasseschauspieler in einem Film versammelt zu sehen - ich weiß es wirklich nicht.
Der Film wirkt größer als das Leben und trotzdem so verdammt authentisch (oder sollte ich besser sagen "authentistisch"

Ben Affleck macht seine Sache als Schauspieler auch ganz ordentlich, wird jedoch locker vom übrigen Cast übertroffen.
Rebecca Hall!!!
Verdammt ich liebe diese Frau von Film zu Film mehr. Egal ob in "The Prestige", "Vicky Cristina Barcelona" oder "Frost/Nixon" - sie ist jedes Mal wirklich atemberaubend gut und hat dabei beinahe etwas edelmütiges an sich. Schön, dass sie hier auf´s neue zeigen konnte was in ihr steckt. Denn gerade die Szenen zwischen ihr und Affleck wirken so erfrischend und beinahe schon humorvoll, dass sie viele schlechte romantische Komödien von heute locker plattmachen.
Jeremy Renner!!!
Was für ein Talent dieser Kerl ist war nach "Tödliches Kommando" absolut klar. Keiner wäre für diese Rolle perfekter gewesen als er.
Jon Hamm und Blake Lively ebenfalls absolute Granaten.
Und dann auch noch in kleinen aber sehr einprägsamen Nebenrollen Urgesteine wie Pete Postlethwaite und Chris Cooper zu sehen war das Sahnehäubchen auf dieser vorzüglichen Auswahl an Darstellern.
Dazu noch so viel Geschichte, Drama und Schicksal in einen Film gepackt ohne dass er überfrachtet wird und die Abwechslung zwischen sehr ruhigen Momenten und großartig inszenierten Action-Sequenzen lassen nicht den Hauch eines Zweifels zu, dass Ben Affleck im Regie-Olymp angekommen sein muss.