Auch ein kleiner Fassbinder ist ein Fassbinder

Der Stadtstreicher

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Moderator: Damien3

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Voland
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Auch ein kleiner Fassbinder ist ein Fassbinder

Der Stadtstreicher

Beitrag von Voland »

Wieder einmal habe ich mich dazu durchgerungen einen Fassbinder einzulegen und zu gucken. Es war einer seiner ersten Filme - noch ein Kurzfilm. Aber dieser Film - obgleich er nur 10 Minuten dauert - hat mich sehr berührt.

Gedreht ist er in (teilweise) gewohnter Fassbinder-Art. Die Kamera ist noch nicht so ruhig wie in den späteren Filmen, aber das Gesamtkonzept lässt den Schöpfer erahnen. Der Ton ist gekonnt eingesetzt. Nicht alles was gesprochen wird, ist hörbar. Umweltgeräusche gelangen sporadisch in den Film. Erst vermutete ich sogar einen Stummfilm dahinter - bis Fassbinder das Schweigen mit einer grotesken Situation brach.

Ein scheinbar nichtssagender Film, der gewohnt ruhig ist. Die Möglichkeit, das Leben zu beenden. Einfach nur die Möglichkeit haben. Man ist wieder Herr über sein Leben. Das ist eine Freude, die der Stadtstreicher lange nicht mehr erlangt hat. Doch mit einem Schlag wird aus dieser Freude wieder ein tiefer Hass auf diese Welt. Verzweiflung stoßt durch die Haut und bricht aus dem Stadtstreicher aus.

War es bloß ein Spiel? Oder war es eine Aktion, die aus der Situation heraus entstand. Die gemeine Obrigkeit der Besitzenden, wie sie auf die Besitzlosen blicken. Keine Rücksicht, kein Gewissen - so werden Leben zerstört, ohne sie zu beenden.

Ein sehr starker Fassbinder, ausdrucksschwache Bilder fehlen hier komplett. So liebe ich Fassbinder - und so ist er auch schwer zu ertragen, aber man muss sie sehen. Es ist wie eine Sucht, sich selbst zu erniedrigen. Man ist so schwach gegen diese schweren und depressiven Filme.


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