Rezension über die letzten zehn Filmjahre (1995-2005)

Hier könnt ihr diskutieren, was das Zeug hält, jedoch nur über alles, was das Thema Film betrifft.

Moderator: Detlef P.

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Detlef P.
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Rezension über die letzten zehn Filmjahre (1995-2005)

Beitrag von Detlef P. »

Was ist mit dem Film in den letzten 10 Jahren nur geschehen?
Diese Frage stellte ich mir gestern, nachdem ich mir in dieser Woche mal wieder meine Lieblings-Filmtrilogie "Zurück in die Zukunft" angesehen hatte und nachdem ich kürzlich in der "imdb" rumgestöbert hatte. Dort entdeckte ich nämlich etwas sehr interessantes.
Die Anzahl der Filme, die pro Jahr entstanden, hatte sich innerhalb der letzten zehn Jahre mehr als verdoppelt.
Das heißt im Jahr 1995 wurden in etwa 8000 Filme gedreht. Im Jahr 1996 waren es dann schon 9000. Noch ein Jahr später 10.000 usw.
Bis die Zahl im Jahr 2004 bis auf fast 20.000 Filme angestiegen war!!!
Unglaublich, oder? Innerhalb von zehn Jahren!
Und dann schaut euch doch mal bitte die Qualität der Filme in den letzten zehn Jahren an. An dieser Stelle möchte ich die Verbindung zwischen der "Zurück in die Zukunft"-Trilogie und meinen bisherigen Aussagen darlegen.

Das Ganze ist folgendermaßen:

Damals, als noch nicht so viele Filme gedreht wurden wie in der heutigen Zeit, waren die wenigen "Blockbuster" die rauskamen richtige "Event-Movies", deren Vorstellung man kaum erwarten konnte. Das alles war einfach etwas besonderes, weil es nicht jeden Tag vorkam, dass so ein "Event" im Kino anlief.
Heutzutage sind diese "Events" an der Tagesordnung und längst keine Events mehr, da sie zum Alltäglichen dazu gehören und schon fast nicht mehr wegzudenken sind (obwohl ich sehr viele von ihnen gerne wegdenken würde!). Der Zuschauer ist mit "Events" heutzutage regelrecht übersättigt und hat im Grunde genommen schon längst keine Lust mehr auf diese blöden Events, die eigentlich nur noch diese Bezeichnung haben, weil die großen Hollywood-Bosse diese Filme auf Filmplakaten und in der Kinowerbung so betiteln lassen. Hinzu kommt noch das Problem, dass Hollywood gerne auf altbewährtes setzt anstatt mal etwas neues auszuprobieren. Nur so ist es zu erklären, dass sämtliche Actionfilme, Liebesfilme, Psychothriller, Horrorfilme, usw. in den letzten zehn Jahren mit jeweils zwei oder allerhöchstens drei Storylines ausgekommen sind.
Das bedeutet, der Zuschauer bekommt die Dinge, die er früher mochte in x-facher Ausführung vor die Nase gesetzt, nur schlechter und vorhersehbarer als die frühen Sachen. Da ist es doch nur verständlich, dass der Kinobesucher trotz erhöhter Anzahl an gedrehten Filmen von einem Kinobesuch absieht, da er es doch sowieso schon kennt, nur besser.
Seit mal ehrlich, auf welche "Event-Movies" habt ihr euch in den letzten Jahren richtig freuen können? Bei mir sind es lediglich die "Spider-man"-Filme und bei euch?

Das Ganze hat allerdings auch einen klaren Vorteil.
Guckt euch mal das Autoren- und Independent-Kino an, das in den letzten zehn Jahren entstanden ist und eine sagenhafte Frische und Vielfalt zurück auf die Leinwand gezaubert hat. Denn wenn mehr Filme produziert werden, dann werden von allen Filmen mehr produziert.
Auch das europäische oder asiatische Kino steht so gut wie schon lange nicht mehr da.
Und wenn das mit der Qualität so weiter geht dauert es vielleicht wirklich nur noch ein paar Jahre, bis der Rest der Welt Hollywood abgelöst hat.

Ich bin wirklich gespannt wie die Welt aussieht, wenn ich mir diesen Thread in zehn Jahren noch einmal durchlese.


"Willst Du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten." (chin. Sprichwort)

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"Der größte Feind des Wissens ist nicht Unwissenheit, sondern die Illusion, wissend zu sein." (Daniel J. Boorstin)

Wenn "2010" die Fortsetzung zu "2001" sein soll, dann ist "Sieben" das Prequel zu "8½". (Ich)

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Murillo
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Beitrag von Murillo »

Ganz interessanter Thread!

Es ist nicht so, dass es die letzten 10 Jahre weniger gute Filme gegeben hat, als die 10 Jahre davor. Guck dir nur die 80er an. Filme, Musik, Modetrends aus dieser Zeit können sehr unheimlich sein, wenn man nicht unmittelbar damit aufgewachsen ist. Ich sage das, bevor Damien wieder mit "La Boum" daherkommt. :mrgreen:
Es gibt und gab schon immer schlechte Filme, und zwar wesentlich mehr als bessere.
Das Verhältnis hat sich nur scheinbar verändert.
Die Zahlen sagen ja erstmal nur aus, dass die Produktivität der Filmindustrie sich in den letzten 10 Jahren mehr als verdoppelt hat.
Hat die Nachfrage nach Filmen sich etwa auch verdoppelt oder gehen die Besucherzahlen der Kinos etwa in den Keller (wer statistische Daten hat, sofort her damit!) ?
Andererseits scheint es so, als ob das Eventkino der frühen 90er in ein Trendeventmassenvervielfältigungskino transformiert wurde.
Man hat also einige Schlüsselfilme, die einst neuartig und ganz besonders erfolgreich waren, und von denen auf Grund dessen tausende Ableger entstanden sind, die kommerziell oft sogar ähnlich erfolgreich sind, wie die Vorbilder.
Daher werden wesentlich mehr Filme gemacht, als früher. Es zahlt sich aus.
Mit mehr als 2 Handlungssträngen, werden die Kinobesucher eh überfordert, warum also etwas riskieren?

Ich möchte an dieser Stelle Dandelion zitieren, der das im Thread "Die große Kinokrise" sehr treffend formuliert hatte:
Dandelion hat geschrieben:Mir kommen diese Hollywood-Budgedtgiganten mittlerweile nicht mehr nur
vor wie Fast-Food-Kino, sondern wie Fast-Food-Kino für Wiederkäuer.
Eine einzige, riese Packung Knetmasse, die im Kindergarten für Filmschaffende
schon vor fünfzehn Jahren nicht mehr neu war und die mittlerweile durch
die Hände so vieler Produzenten- und Drehbuchautorblagen gegangen ist,
dass die unförmigen Klumpen, die jedes von ihnen für sein persönliches,
einzigartiges Werk hält und die doch irgendwie alle gleich aussehen
(nämlich wie Knete, die in Kleinkinderhänden war), schmutzig und
gebraucht aussehen.
So gebraucht, dass das Zeug schon in den Fingern bröckelt. Und trotzdem
wollen die niedlichen Kleinen immer mehr Knetmasse für sich und immer
höhere Türmchen bauen.
Das geht dann hoffentlich nur so lange gut bis Mama Kinobesucher, die
schon seit längerem an der Tür steht und endlich nach Hause will, ein
Machtwort spricht.


"Wenn etwas klappt, ist es meistens nur Glück. Deshalb sollte man nie zuviel Ahnung von einer Sache haben" (alte japanische Programmiererweisheit)

Neulich im Waschsalon:
"Nachdem mir bereits "Network" sehr gut gefallen hat, gewinne ich langsam wirklich Respekt vor Sidney Lumet."
"Du unnützer nichtsbringender mittzwanziger Fliegenschiss bekommst "langsam" Respekt vor Sidney Lumet?"
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Damien3
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Beitrag von Damien3 »

Filme aus jeder Epoche können und sind unheimlich.
Was zum Teufel hat die Menschen in den 50ern bewegt in Massen in "Die Halbstarken" zu rennen??
Einige Filme treffen den Zeitgeist einige nicht.
Ich finde das komischte an den 90ern ist die Tatsache das die arme Generation von jugendlichen Kinogängern KEINE Identifikationsfilme hatte.
Es kamen genug Filme heraus die als "der neue Kultfilm" beworben wurden, doch dieses Modewort hatte sich schnell abgenutzt.
Die Medien haben wirklich versucht Filme als "Generationsgut" zu verkaufen, doch die Leute riechen diese faulen Braten.
Ein wirklicher Identifikationsfilm entsteht aus einer "Bewegung" heraus, Anhänger die ihr Lebenlang von einem Film schwärmen, kann man nicht kaufen. Doch es wurde zu oft versucht das künstlich zu erstellen....
Zu viele Filme wurden von Marketingfirmen auf ein zu hohes Treppchen gestellt.
Am meisten viel mir das bei dieser Filmewelle nach "Die eine oder keine" auf.
Der Film war ein respektabler Erfolg, wurde der Jugendfilm der 90er überhaupt ausgeschlachtet und die Welt hatte dann jedes Jahr pünktlich zum Sommer ein neues Freddie Prince jr. Vehikel.
Vielleicht war auch das der Grund eines wirklich fehlenden Highlights...
Das die Jugend sofort mit Kopien zugschmissen wurde, bevor sich soetwas wie Kult und Legende bilden konnte.
Breakfast Club war tatsächlich erst nach 2 bis 3 ahren ein wirklicher Kultfilm. Mit etwas Abstand betrachtet war es halt der achtziger film der Jugend überhaupt. Aber mann hatte es selber entschieden und es wurde nicht vorzelebriert.
Diesen Umstand finde ich in den letzten Jahren sehr traurig.
Es gibt keinen definitiven 90er Jahre Kult-jugend-Zeitgeist-Film.


"Ich habe sie den ganzen Abend von dahinten beobachtet...sie sind ein sehr attrativer Mann"
"Warum gehen sie nicht in die Ecke zurück und schauen weiter?"
Kevin Costner..coole Sau.
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