
USA, 1977
Regie: David Lynch
Darsteller: John Nance, Charlotte Stewart, Judith Roberts, Allen Joseph, Jeanne Bates, Laurel Near, Jack Fisk
"In einem unwirklich erscheinenden Industriegebiet lebt der schüchterne Arbeiter Henry Spencer. Eines Tages erfährt er, dass seine Freundin Mary schwanger ist. Nach der Geburt des vollkommen missgestalteten Babys nimmt er die beiden in sein kleines Apartment auf und kümmert sich um den Nachwuchs, der seine Eltern mit unentwegtem, markerschütternden Geschrei und Gewimmer allmählich in den Wahnsinn treibt. Mary ist von der Situation schließlich so überfordert, dass sie ihre Familie verlässt und Henry alleine mit der Verantwortung zurücklässt.
In den siebziger Jahren wurden in den USA einige Independentproduktionen besonders in Spätvorstellungen um Mitternacht gezeigt. Die so genannten Midnight Movies erfreuten sich äußerster Beliebtheit und wurden teilweise zu echten Kultfilmen. Einer der bekanntesten Vertreter dieses Genres ist David Lynchs (Lost Highway) Erstlingswerk Eraserhead.
Es ist schwierig diesen Film in Worte zu fassen, da keine Beschreibung dem Gerecht wird, was einem zu Augen kommt, wenn man sich entschließt einen Abend diesem Film zu widmen. Denn die atmosphärische Dichte, die Lynch durch seine bedrückenden Bilder, dem Spiel mit Licht und Schatten und den unheimlich bedrohlichen, größtenteils aus Maschinengeräuschen bestehenden Soundtrack schafft, muss jeder selbst erleben.
Es gibt wie bei allen Filmen Lynchs auch für Eraserhead unzählige Interpretationsansätze. Ist der ganze Film nur ein Traum? Zeigt Lynch ein futuristisches Szenario nach einem möglichen Atomkrieg, was die tristen, menschenleeren Industrielandschaften und die bizarren Mutationen erklären würde oder macht sich der Regisseur einfach einen Spaß daraus seine Zuschauer zu verwirren? Welchen Schluss man zieht, überlässt Lynch wie bei fast all seinen Filmen allein dem Zuschauer.
Jede Einstellung ist ein Kunstwerk für sich. Lynch lässt seine Hauptfigur Henry einsam durch eine triste Kulisse wandeln. Alles wirkt kalt und lebensverneinend. Die wenigen sozialen Kontakte und die darin angedeuteten zwischenmenschlichen Beziehungen, die von Henry und seiner Freundin eingeschlossen, wirken absurd und krank. Henry lebt in einem Alptraum und fühlt sich sichtlich unwohl, der Betrachter fühlt mit ihm, fühlt sich versucht, sich in ihn hinein zu versetzen, doch muss resignierend hinnehmen, dass er keinen Zugang zu dieser fremden, nihilistischen Welt findet.
Schauspielerisch wird Eraserhead vor allem durch seinen Hauptdarsteller getragen. Der leider viel zu früh verstorbene, besonders aus Nebenrollen in fast allen Spielfilmen Lynchs bis 1996 bekannte Jack Nance (Blue Velvet) ist in beinahe jeder Szene zu sehen und zeigt eine beeindruckende One-Man-Show. Ohne sein herausragendes Spiel würde Eraserhead, in welchem er seine erste und auch beinahe einzige Hauptrolle hatte, nicht funktionieren. Leider gelang diesem talentierten Schauspieler, nicht zuletzt wegen seiner Alkoholprobleme, nicht die große Karriere. Abgesehen von einer tragenden Rolle in Barfly von 1987 war er später immer nur in kleineren Rollen zu sehen.
Leider ist Eraserhead in Deutschland nicht offiziell erhältlich, so dass nur der Weg zu einer gut sortierten Videothek oder der kostspielige Import das Eintauchen in Lynchs Welt ermöglichen. Zudem gibt es auch keine deutsche Synchronfassung, was aber aufgrund der enorm wenigen Dialogszenen kaum auffällt und auch allen, die der englischen Sprache nicht mächtig sind, den Zugang nicht noch zusätzlich verwehrt." (www.moviemaze.de)
Endlich habe ich auch Lynchs Erstlingswerk gesehen.
Tja, was soll man dazu sagen? Zuerst möchte ich sagen, dass ich sowohl Voland (Liebhaber des Films) als auch Damien (Hasser des Films) verstehen kann. Und es ist schwierig irgendetwas genaues über den Film zu schreiben.
Das Bizarre bei Lynch ist die Tatsache, dass man über seine Film erst nochmal genauer nachdenken muss nachdem man sie gesehen hat. Das muss man, glaube ich, bei allen großen Filmemachern machen. Heute habe ich zum Beispiel schon eine andere Meinung zu dem Film als gestern.
Es ist auf jeden Fall auch ganz interessant mal Interpretationen des Films zu lesen. Die decken sich sogar so ziemlich mit den Gedanken, die ich auch mal dem Film hatte. Natürlich waren die Interpretationen etwas genauer.
Für besonders wichtig halte ich die Information, dass Lynchs Frau zu der Zeit des Filmdrehs selbst ein Kind erwartete. Somit kann man den Film auf einer sehr persönlichen, aber natürlich auch auf einer sehr universellen Ebene betrachten. Denn die Themen, die der Film anschneidet sind so oder so universell.
Ich würde in dem Film, wie in fast allen Filmen von Lynch, zuerst die Angst vor etwas sehen. In diesem Fall die Angst vor dem Verlust der Unabhängigkeit und vor dem Zwang der Ehe und Familie. Darüber hinaus kommt noch die Angst hinzu sich um ein missgebildetes Baby kümmern zu müssen, was zusätzlich extrem viel Zeit und extrem viel Nerven erfordert.
Das alles zeigt der Film in grobkörnigen schwarz-weiß Bildern die eine trostlose und heruntergekommene Welt einfangen, voller bizarrer und alptraumhafter Symbole. Das Schauspiel, gerade das von Jack Nance, ist sehr stark und nuanciert und der Sound und die Musik tun wie in jedem Lynch-Film ein übriges.
Es ist ohne Frage ein Film, der dem Namen Lynch gerecht wird. Und für ein Erstlingswerk ist der Film wirklich hervorragend gelungen.