NDR.de hat geschrieben: Erpressung im Boulevard-Journalismus
von Anne Ruprecht, Jasmin Klofta
Die Pressefreiheit in Deutschland ist in Gefahr. Schon wieder? Ja, schon wieder, jedenfalls wenn man den Kommentaren von "Bild" Glauben schenkt. Allerdings sollte man dabei berücksichtigen, dass die "Bild" Teil des Konflikts ist. Es geht um Ottfried Fischer und die Berichterstattung über sein Sexualleben. Der Schauspieler war gegen den Reporter vor Gericht gezogen und hat gestern in erster Instanz gewonnen. ZAPP über Erpressung im Boulevardjournalismus.
Es ist ein Triumph für den Schauspieler Ottfried Fischer. Der Mann, der mit Prostituierten gefilmt wurde und sich erpresst fühlt von "Bild", hat sich nun vor Gericht gewehrt, mit Erfolg. Dazu meint er: "Es hat mich einen großen Teil meiner Privatsphäre zwar gekostet, um hier mit Hilfe des Richters klar zu machen, dass auch bekannte Menschen Privatsphäre haben. Und das Tolle an diesem Richter war, dass er unterschieden hat zwischen den Arten des Journalismus der gute und der schmuddelige."
Mit "schmuddelig" meint Ottfried Fischer die "Bild"-Zeitung und einen ehemaligen "Bild"-Journalisten. Wegen Nötigung muss dieser 14.400 Euro Geldstrafe zahlen, falls das Urteil rechtskräftig wird. Es geht um Grundsätzliches, um die Methoden von Journalisten.
Die Bild brachte im September vergangenen Jahres eine saftige Boulevardgeschichte: "Otti Fischer – Ärger mit 4 Liebesmädchen" (Bild, 17.09.2009). Es ging um Prostituierte und Kreditkartenbetrug. Und Bild legte nach, fabulierte: "So war das mit den Huren" (Bild, 17.10.2009). Peinlichste Details aus Ottfried Fischers Intimleben.
Eine anrüchige Story über einen Schauspieler, den die Zuschauer vor allem als Pater Braun im Priestergewand oder als bayerischen Bullen von Tölz kennen. Bloßgestellt von "Bild", doch dann geschieht etwas Unglaubliches: Ottfried Fischer selbst setzt noch einen drauf. "Im exklusiven BILD-Interview" offenbart er, "was ihn in die Arme der Huren trieb" (Artikel "Die Huren nutzten meine Krankheit aus!", Bild, 19.10.2009). Das waren erstaunliche Bekenntnisse, über die sich viele wundern. In seiner Sendung fragte Reinhold Beckmann:
"Am letzten Montag hast du der 'Bild'-Zeitung ein Interview gegeben. Ausgerechnet der "Bild"-Zeitung, die das ja veröffentlicht hat. Warum der 'Bild'?"
Ottfried Fischer: "Na, die 'Bild'-Zeitung hat mich am stärksten in die Öffentlichkeit gebracht und genau diese Klientel denkt ja jetzt über mich, wie sie aufgrund dieses Artikels über mich denkt und da muss ich entgegen wirken."
Reinhold Beckmann: "Gibt es denn da ein Friedensabkommen mit der 'Bild'-Zeitung, jetzt was weitere Veröffentlichungen betrifft?"
Ottfried Fischer: "Ja, wir haben jetzt ein gutes Handling miteinander." (DasErste, "Beckmann", 26.10.2009)
Ein pikantes Video
Doch kurz danach klagt Fischer an: Freiwillig sei seine Zusammenarbeit mit "Bild" nicht gewesen. Pikant daran ist, dass es ein heimliches Sex-Video mit Ottfried Fischer gab, von zwei Prostituierten gedreht. Das hatte der "Bild"-Journalist von einem Zuhälter gekauft, zunächst für eine Anzahlung von 3.500 Euro wie nun herauskam. Später sollte noch mehr Geld fließen.
Die Medienjournalistin Ulrike Simon meint, "das kauft man ja nicht einfach so. Er wird wahrscheinlich gewusst haben, da sind irgendwelche Szenen drauf, die Ottfried Fischer beim Sex mit Prostituierten zeigen. Warum hat ihn das überhaupt interessiert? Er hätte ja auch sagen können: So etwas will ich nicht, brauchen wir nicht, interessiert nicht. Ist auch illegal, das zu nutzen". Was also wollte er damit? Sicher ist: In einem Telefonat mit der PR-Agentin von Ottfried Fischer "erwähnte" er das Video. Fischer fühlte sich bedroht.
Stefan Ufer, Rechtsanwalt von Ottfried Fischer, erklärt: "Die Drohung war, die Karriere kriegt einen erheblichen Knick oder sie ist beendet, zumindest für Otti, den Menschen, der ja nun auch in Priestergewand auftritt, und deshalb war das eine ganz perfide Drohung mit genau diesem Video zu sagen: Wir können ja eine Lösung finden. Sprich: Wenn Du kooperierst, so wie ich das will, dann behalten wir das - und das ist wörtlich gefallen von der Agentin - im Giftschrank."
Und der Redakteur Nicolas Richter von der Süddeutschen Zeitung sagt, "wenn er nur sagt ich habe einen Film, ich habe alle Details gesehen und was machen wir jetzt? Das ließ offenbar die Interpretation zu, dass es ihm nur darum geht Herrn Fischer zu erpressen".
Nötigung oder Recherche?
Gegen diese Interpretation des Gerichts wehren sich die Anwälte des ehemaligen "Bild"-Reporters. Für sie ging es im Telefonat nicht um Nötigung, sondern um eine gewöhnliche "Recherche". "Sie müssen als Journalist ihm Gelegenheit geben darauf zu reagieren, das hat nichts mit einer Nötigung oder Drohung zu tun", meint der Rechtsanwalt Klaus Leipold.
Aber was erwartete der Journalist für eine Reaktion? Das Gericht ist sich sicher, es ging nicht um ein Recherchegespräch. Der Journalist habe stillschweigend mit der Veröffentlichung des intimen Videos gedroht. Simon: "Es hat eine psychologische Wirkung. "Bild" weiß vielleicht etwas, was mir schaden könnte, deshalb gehe ich auf Forderungen ein, die mir eigentlich jetzt nicht passen, aber es ist wohl möglich das kleinere Übel." Und Richter meint, "ohne dass Drohungen ausgesprochen werden, fühlen sich die Agenten oder die Personen, über die berichtet wird, in diesem Fall Ottfried Fischer, dann dazu gezwungen oder genötigt zu kooperieren, ein Exklusiv-Interview zu geben, eine Foto-Story zu machen, über die neue Liebe zu erzählen oder was auch immer."
Kein Einzelfall?
Immer wieder berichten Prominente aus unterschiedlichen Bereichen, wie sie sich von "Bild"-Reportern unter Druck gesetzt fühlen. Nur Wenige reden öffentlich darüber. "Das Problem ist, wenn man das dingfest machen will und wenn man diesen Prominenten sagt, dann erzählt es, lassen Sie, lass Dich, zitieren damit, davor scheuen die meisten zurück", erzählt Simon.
Sie nicht, sie hat sich mit "Bild" angelegt - Charlotte Roche: Schriftstellerin, Moderatorin. Sie wurde durch einen persönlichen Schicksalsschlag zum Opfer unlauterer Methoden: "2001 hatte meine Mutter auf dem Weg zu meiner Hochzeit einen Autounfall und da sind auf der Rückbank drei Brüder gestorben in dem Auto bei dem Unfall, und einen Tag später hatten Menschen, die sich ausgegeben haben, als würden sie bei der 'Bild'-Zeitung arbeiten, bei mir angerufen [...] haben mich drangsaliert, wollten eine Geschichte haben, massiven Druck ausgeübt am Telefon."
"Bild" brachte die Geschichte vom Unfall groß ("Alle 3 Brüder tot in diesem Wrack", 02.07.2001). Aber dann kam es noch schlimmer. Denn einen Monat später wurde Charlotte Roche auf der Straße fotografiert, zufällig lachend. "Und dann haben die bei Viva in der Pressestelle angerufen und gesagt: Wir haben ein Foto von Charlotte, wie die lacht, und wir werden das drucken, dass der Tod ihrer Brüder ihr egal ist, oder die gibt ein Interview zu dem Unfalltod. Und das hat so weh getan, dass in so einem Moment erpresst zu werden", erzählt Roche.
Simon: "Am Ende konnte das insofern alles nicht nachgewiesen werden, weil 'Bild'/Springer sich darauf versteifte, es habe sich da nur jemand als Bild-Redakteur ausgegeben am Telefon, sei es aber gar nicht gewesen. Fakt ist: Charlotte Roche fühlte sich erpresst."
Das Gefühl ist geblieben. Für Charlotte Roche ist das aktuelle Urteil gegen den Bild-Journalisten persönlich von großer Bedeutung: "Ich habe das alles verfolgt, ich finde das großartig vor allem für alle Bildzeitungs-Opfer. Ich glaube, dass das ein Meilenstein ist. Dass da jetzt ganz viel passieren wird also auch in Zukunft."
Pressefreiheit beinhaltet nicht Nötigung
Das Urteil im Fall Ottfried Fischer erregt großes Aufsehen. Während der Verhandlung ist der Axel-Springer-Verlag ständig präsent. Der Fall betrifft nicht nur einen einzelnen Journalisten, sondern auch die Redaktion. Richter: "Sie steht zwar selber nicht unter Anklage, sondern der ehemalige Mitarbeiter, aber natürlich geht es immer auch, auch in der Berichterstattung um 'Bild' an sich und die Methoden der Zeitung und die Art und Weise, wie sie mit Prominenten umgeht."
ZAPP fragt nach bei "Bild", wie sie sich die wiederholten Anschuldigungen von Prominenten erklären könne, auf diese Frage keine Antwort. Der Springer-Verlag beruft sich auf Recherche- und Pressefreiheit. Auch der Medien-Anwalt des Journalisten, Spyros Aroukatos, bemüht die Pressefreiheit. Er will Berufung einlegen: "Es ist auch nach wie vor ein schwerwiegender Eingriff in die Pressefreiheit, durch ein gerichtliches Urteil, welches die Pressefreiheit ausblendet, und das ist das, was nicht hingenommen werden kann."
Doch Pressefreiheit beinhaltet eines sicher nicht: Die Verletzung von Persönlichkeitsrechten und Nötigung.
Ottfried Fischer: "Pressefreiheit darf nicht zur Erpressungsfreiheit werden, weil die Pressefreiheit ist ein hohes Gut, von der leben wir alle und das soll so bleiben. Die will keiner beschneiden, aber missbrauchen darf man sie auch nicht."
Ottfried Fischer von Bildzeitung erpresst
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Ottfried Fischer von Bildzeitung erpresst
Hier ein ganz interessanter Artikel vom NDR. Es geht um die Erpressungsmethoden bei der Bildzeitung, und wie Ottfried Fischer erfolgreich per Gericht dagegen vorgegangen ist.
"Wenn etwas klappt, ist es meistens nur Glück. Deshalb sollte man nie zuviel Ahnung von einer Sache haben" (alte japanische Programmiererweisheit)
Neulich im Waschsalon:
"Nachdem mir bereits "Network" sehr gut gefallen hat, gewinne ich langsam wirklich Respekt vor Sidney Lumet."
"Du unnützer nichtsbringender mittzwanziger Fliegenschiss bekommst "langsam" Respekt vor Sidney Lumet?"
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"Nachdem mir bereits "Network" sehr gut gefallen hat, gewinne ich langsam wirklich Respekt vor Sidney Lumet."
"Du unnützer nichtsbringender mittzwanziger Fliegenschiss bekommst "langsam" Respekt vor Sidney Lumet?"